Ein Ort, um in Würde zu altern

Die WZ begleitete Jasmin Junge, Auszubildende zur Altenpflegerin, einen Tag lang.

Langenfeld. Es ist kurz nach dem Mittagessen im Wohnbereich Wiesengrund. Ein bisschen riecht es noch nach Suppe, auch wenn es keine gab. Der typische Essensgeruch, den man auch aus Krankenhäusern oder Kantinen kennt. Jasmin Junge eilt durch die Gänge.

Sie muss die Bewohner nach dem Essen zur Toilette bringen oder in den Aufenthaltsraum, genannt das Wohnzimmer. Die 23-Jährige ist Auszubildende im ersten Lehrjahr. Im Awo-Seniorenzentrum Karl-Schröder-Haus will sie Altenpflegerin werden.

Ihr Wunschberuf war das ursprünglich nicht, jetzt kann sie sich keinen anderen mehr vorstellen. Seit knapp fünf Monaten ist Junge nun im Wohnbereich Wiesengrund — ein freundlicher Wohnbereich mit hell gestrichenen Wänden. Antike Möbel und Bilder, manche aus den ehemaligen Wohnungen der Bewohner, säumen den Flur, der zu den Zimmern führt, und verleihen der Abteilung eine persönliche Note. Ein großer Raum mit einer Kaffee-Bar ist das Herzstück der Station, das Wohnzimmer, in dem die Bewohner essen und sich unterhalten.

Zumindest, wer noch dazu in der Lage ist. Denn 70 Prozent der Bewohner im Wiesengrund leiden unter Demenz. Die meisten sind jenseits der 80. Einige sind jünger und wurden etwa durch eine Krankheit, etwa einem Schlaganfall, zum Pflegefall. Die Arbeit sei weniger körperlich als viel mehr psychisch anstrengend, sagt Azubine Junge. Die Bewohner können sich nicht mit der Sprache ausdrücken, können kein Gespräch führen oder sich merken, wer man ist.

Jasmin Junge liebt diese Abteilung. Vor allem den Spätdienst. „Dann können wir uns mehr Zeit nehmen für die Bewohner“, sagt sie und bereitet die Kaffeemaschine vor. Gleich gibt es Kaffee und Kuchen im Wohnzimmer. Der Tagesablauf orientiert sich zwar an gewissen Zeiten, trotzdem soll jeder Bewohner individuell entscheiden können, wann er aufstehen, wann er essen und wann er wieder ins Bett gehen möchte.

„Wer früher Bäcker war und jeden Morgen um vier Uhr aufgestanden ist, der wird auch im Alter nicht lange schlafen können“, sagt Pflegedienstleiterin Gudrun Augustat. Gerade ist sie, das Telefon in der Hand, unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen. „Guten Tag Frau Linke, schmeckt der Kaffee?“ grüßt sie eine kleine Dame, die schon am Tisch sitzt und an ihrer Tasse nippt. „Ich kenne sie nicht“, erwidert die Frau ohne aufzublicken. Eine typische Szene im Wiesengrund.

Als Pflegerin darf man so etwas nicht persönlich nehmen. Um die dementen Bewohner nicht zusätzlich zu verwirren, wird darauf geachtet, dass die Pfleger nicht ständig wechseln. Ein fester Stamm an speziell geschultem Personal sorgt dafür, dass möglichst wenig Unruhe aufkommt. Es gibt strikte Regeln im Umgang mit den Bewohnern, die auch das Vokabular betreffen. Es soll keiner „gefüttert“ werden, sondern „essen angereicht“ bekommen. Das Wort „Wickeln“ ist ebenfalls tabu. Es wird „Inkontinenzversorgung“ betrieben. „Auch wenn die Bewohner sich manchmal wie kleine Kinder verhalten, dürfen wir sie nicht so behandeln“, sagt Jasmin Junge. „Sie sollen ihre Würde behalten und hier in Ruhe leben können.“

Das Wohnzimmer füllt sich. Jeder hat am Tisch seinen festen Platz. Struktur ist wichtig. Sechs alte Damen und ein Herr trinken Kaffee und essen Schokokuchen. Jasmin schenkt Kaffee aus. Eine andere Auszubildende reicht einer Dame im Rollstuhl Kuchen an.

Wenn alle am Tisch sitzen und zufrieden sind, hat Jasmin Zeit in den Zimmern der Bewohner für Ordnung zu sorgen. Wäsche machen, Handtücher auffüllen, alles Tätigkeiten, die dazu gehören. „Ich bin froh, dass ich einen kleinen Sohn habe“, sagt Jasmin plötzlich. „Ich habe Angst alt zu werden, und dass ich dann alleine bin und ins Altenheim muss. Ich hoffe, dass mein Sohn sich später um mich kümmert.“

Mit ihrer Mutter hat Jasmin auch schon darüber gesprochen, was ist wenn sie mal alt und pflegebedürftig ist. Aber eher „so aus Spaß“. Keiner möchte jetzt schon daran denken. Doch für Jasmin ist sicher. „Wenn es so weit ist, würde ich sie auf jeden Fall zu mir holen und sie pflegen. Ich weiß ja dann wie das geht“, sagt sie lächelnd.