„Hochbegabung ist Fluch und Segen zugleich“
Robin Pflüger testet, ob Kinder hochbegabt sind und berät ihre Eltern zu möglichen Fördermaßnahmen.
Langenfeld. Psychologe Robin Pflüger arbeitet im Competence Center Begabtenförderung (CCB) der Stadt Langenfeld. Die 2010 gegründete Einrichtung soll hochbegabte Kinder unterstützen. Robin Pflüger, der im Zentrum für Begabtenförderung in Nimwegen in den Niederlanden studiert hat, testet Kinder auf ihre besonderen Fähigkeiten.
Herr Pflüger, wie erkennen Eltern, dass ihr Kind hochbegabt ist?
Pflüger: Die meisten denken, dass sehr gute Schulnoten ein Anzeichen sind. Doch nur eine kleine Teilgruppe der Hochbegabten sind Klassenbeste. Kinder mit einer besonderen Begabung stellen beispielsweise häufig Fragen, sind wissbegierig, dabei stoßen Eltern wie auch Lehrer beim Erklären an ihre Grenzen und die Kinder nerven dann schnell. Dabei kann gerade das ein Zeichen für besondere Interessen und vielleicht eine besondere Begabung sein.
Was zeichnet Hochbegabung aus?
Pflüger: Bestnoten sind auf jeden Fall nur ein Beispiel von besonderer Begabung. Meist sind ein oder zwei bestimmte Bereiche besonders ausgeprägt, die es dann noch zu entwickeln gilt. Dazu gehören auch kreatives Denken oder künstlerische Fähigkeiten. Alleskönner sind äußerst selten.
Stimmt es, dass hochbegabte Kinder im Unterricht oft als Störenfriede auftreten?
Pflüger: Pauschal kann man das nicht sagen. Aber hochbegabte Kinder langweilen sich schnell im Unterricht, dann stören sie auch manchmal und gelten als Querdenker. Andere wiederum ziehen sich komplett zurück, gehen im Klassenverbund sogar unter. Einige haben mit Gleichaltrigen Schwierigkeiten. Sie sind lieber mit älteren Kindern zusammen, weil diese mehr ihrem Niveau entsprechen, oder mit jüngeren — denen erklären sie dann gerne etwas und spielen Chef.
Wie testen Sie, ob ein Kind hochbegabt ist?
Pflüger: Mir ist am liebsten, wenn Eltern und Lehrer oder Erzieher zusammen zum Beratungsgespräch kommen, je nach Alter ist auch das Kind dabei. Wenn wir es für notwendig halten, testen wir auch. Dabei benutzen wir als Psychologen auch die klassischen Intelligenztests. Meistens reicht aber schon ein Gespräch mit dem direkten Bildungsumfeld.
Wann sollte eine Förderung einsetzten?
Pflüger: Schon im Kindergarten. So können Erzieher bei einem begabten Kind Zahlen- oder Buchstabenmaterial einsetzen, obwohl dieses erst in zwei Jahren eingeschult wird.
Welche Förderungsmöglichkeiten gibt es noch?
Pflüger: Wir haben eine Broschüre entwickelt. Sie richtet sich an verschiedenste Begabungen die Kinder haben können, aufgeteilt in Altersbereiche. Kooperationspartner sind unter anderem die Stadtbibliothek, die VHS und das Kulturelle Forum. Die Broschüre wird an alle Kindergärten und Schulen verschickt. Ein anderes Förderbeispiel ist der Juniorkongress, der vor einigen Wochen stattfand. Zehn Einrichtungen haben daran mit ihren Förderprojekten und insgesamt 150 Kindern teilgenommen. 2012 wird die Aktion fortgeführt.
Besteht nicht auch die Gefahr, ein hochbegabtes Kind zu überfordern?
Pflüger: Das kann passieren. Wenn das Kind lustlos ist oder über Kopfschmerzen klagt, sollte das Programm runter geschraubt werden. Die Erfahrung, an ihre Grenzen zu stoßen, ist für diese Kinder meist neu, aber wichtig.
Ist es eher ein Segen oder ein Fluch, hochbegabt zu sein?
Pflüger: Von beidem etwas. Auch für die Eltern. Viele haben Respekt vor der Aufgabe, ihr Kind richtig und ausreichend zu fördern. Wir unterstützen sie dabei.