NRW 104 Tonnen Müll eingesammelt
Langenfeld · Um die größte Not zu lindern, richtet Langenfeld ein Spendenkonto ein und ermöglicht schnelle Hilfe per E-Mail.
Das große Aufräumen nach der Regenkatastrophe ist in vollem Gange. Das Ausmaß des Schadens wird nach und nach sichtbarer. Auf der Straße Am Rietherbach, die von Fluten des nahe gelegenen Viehbachs besonders heftig überrollt worden ist, stapelt sich an den Rändern der Sperrmüll. Sven Lucht wohnt am Ende der Straße – dort, wo der beschauliche Viehbach zu einem reißenden Fluss wurde. „Es ging alles rasend schnell“, sagt er. Der Bach tritt über die Ufer und fließt durch die Straße, in Keller und Tiefgaragen. Jetzt ist nur noch der Sperrmüll zu sehen. Am Wochenende haben die Bewohner der Häuser aufgeräumt. „Ich habe Glück gehabt. Bei mir ist der Keller vollgelaufen“, sagt Lucht. Strom habe er noch – im Gegensatz zu den Bewohnern auf der anderen Straßenseite. Mit vereinten Kräften aus Nachbarschaftshilfe und Feuerwehreinsätzen habe man die Lage gemeistert.
Jetzt geht es ans Aufräumen. Unmengen von Kühlschränken, Waschmaschinen, Papier und Büromaterial fallen an. Betriebshof-Mitarbeiter fahren Sonderschichten. Zwei Spermüll-, zwei Containerfahrzeuge sowie zwei Fahrzeuge mit Anhängern, die Eisen sammeln, sind unterwegs und bringen das Sperrgut zur Deponie Immigrath. „Bis heute haben wir 104 Tonnen Müll eingesammelt“, sagt der stellvertretende Betriebshofleiter Patrick Sahm – 41 Tonnen mit den Sperrmüllfahrzeugen, 63 Tonnen kommen aus den Containern. Zwölf davon hat die Stadt aufgestellt, leert und stellt sie wieder auf, wo sie benötigt werden. Sahm hofft, dass die vereinbarten 240 Termine bis zum Ende der Woche abgearbeitet werden können.
Sonja Klostermann, die ebenfalls Am Rietherbach wohnt, ist froh, dass Mitarbeiter ihres Hausmeisterservice die Akten gerettet haben. „Wir hatten vor einem Jahr das Haus kernsaniert und das Büro im Keller eingerichtet“, berichtet sie. Dort habe alles 80 Zentimeter hoch im Wasser gestanden. „Werbematerial und Flyer sind futsch“, sagt sie. Das gelte auch für den Senioren-, Kranken- und Behinderten-Service ihrer Frau. Ihre Wohnräume sind nicht betroffen. „Jetzt müssen wir schauen, wie wir Büros für unsere Mitarbeiter einrichten können.“ Dennoch habe sie Glück gehabt. „Einige können ihre Häuser nicht mehr bewohnen.“ Sven Lucht hat – wie andere Nachbarn auch – Dusche und Schlafplätze angeboten. Am Rietherbach wacht die Nachbarschaft über die Häuser. „Wir wollen keine Plünderer“, sagt Lucht. Eine Anzeige sei gestellt worden, bestätigt die Polizei, spricht jedoch nur von Auseinandersetzung. Beamte fahren Streife. Nachbar Darko Taveces versucht, das Chaos zu beherrschen. „Mein Keller ist abgesoffen, das Erdgeschoss steht zur Hälfte unter Wasser.“ Jetzt hat er bei seiner Schwiegermutter den Sperrmüll herausgetragen.
Dramatische Szenen gab es am Mittwoch auch am Kaiserbusch
Auch am Kaisersbusch spielen sich am Mittwochabend dramatische Szenen ab: Als der Immigrather Bach über die Ufer tritt, müssen die Anwohner sofort handeln. Ihre Keller drohen, überzulaufen. Alexander Schmidt ist gerade im Urlaub, als der Anruf kommt: „Das Unwetter hat uns erreicht“, sagt ein Nachbar. Schmidts Schwiegervater macht sich auf den Weg, um zu helfen, doch er kommt nicht durch bis zum Kaisersbusch. Straßen stehen unter Wasser, sind gesperrt. Die Nachbarn helfen aus, stapeln Sandsäcke vor den Kellerschächten und vor der Haustür. „Wir hatten noch Glück, weil alle so schnell reagiert haben. Das Wasser stand nur zehn Zentimeter hoch im Keller“, sagt Schmidt. „Das ist ärgerlich, aber anderen ist es schlimmer ergangen.“
Wolfgang Androsch zum Beispiel. Er wohnt nur wenige Meter von Schmidt entfernt, doch bei ihm steigt das Wasser am Mittwochabend bis zur Kellerdecke. Zu diesem Zeitpunkt ist er mit seiner Familie im Schwarzwald, fährt aber zurück nach Langenfeld, als er von der Katastrophe hört. Um ein Uhr nachts kommt er an – da pumpen seine Nachbarn schon seit fünf Stunden den Keller leer. „Ich war überwältigt von so viel Hilfsbereitschaft“, sagt Androsch. Inzwischen trocknet alles, aber nur langsam. „Bis es da unten nicht mehr nass ist, dauert es bestimmt noch drei Monate.“ Bis heute hat der Langenfelder keinen Strom und die Heizungsanlage ist defekt. Er wohnt vorübergehend bei seiner Tochter.
Auf der Straße trifft er seine Nachbarin Karin Uellendahl. Ihr Grundstück grenzt direkt an den Immigrather Bach. Bei der Rentnerin steht das Wasser am Mittwoch schon um 19.10 Uhr im Garten, läuft in den Keller. „Ich habe meinen Söhnen Bescheid gesagt und ein paar Minuten später mit dem Abpumpen begonnen“, sagt Karin Uellendahl. „Und die Nachbarn haben sofort reagiert und Sandsäcke vorbeigebracht.“ Sie misst an diesem Tag 137 Liter Regen. Beim schweren Unwetter 2018, das den Kaisersbusch besonders hart getroffen hatte, waren es 60 Liter. „So etwas macht mir Sorgen. Zum Glück hatte ich mir schon Pumpen zugelegt, aber jetzt werde ich noch eine zusätzliche bestellen.“
Auf der Straße ist das Unwetter Gesprächsthema Nummer eins. Viele Anwohner sind am Montagvormittag noch damit beschäftigt, die Folgen der Katastrophe zu beseitigen. Überall liegen noch schwarze Sandsäcke vor den Türen und Fenstern. „So hart hat es uns noch nie getroffen“, sagt Uellendahl. Vor vier Wochen, da sei der Immigrather Bach noch ein Rinnsal gewesen. Mittwochabend wurde er zum ersten Mal seit drei Jahren wieder zu einer ernsthaften Gefahr. Auch in Richrath-Mitte sind die Keller vollgelaufen, berichtet Hildegard Müller-auf-der-Mauern. Die Bäckerei Suko sei ohne Strom.