Phantomschmerz, weil das Handy nicht klingelt
Die Kabarettistin Anna Zink nahm die digitale Welt aufs Korn und begeisterte die Gäste.
Monheim. Um digitale Beziehungen und analoge Familienfeste ging es am Samstagabend im Sojus 7. Mit ihrem aktuellen Programm „Sexy ist was anderes“ kam die Bonner Kabarettistin Anka Zink und machte mit nüchternem Gesichtsausdruck sofort klar: „Es geht dabei nicht um die Künstlerin, sondern ums wahre Leben.“
Das wahre Leben in einer digitalen Welt. „Facebook“ und „Twitter“ habe den „bebilderten Mitteilungswahn der jungen Leute heute“ auf die Spitze getrieben. „Die Jugendlichen können zwar heute schlechter lesen und schreiben, aber dafür viel besser filmen“, bemerkt Zink. Wenn man früher auf der Weihnachtsfeier ein Foto vom Chef gemacht habe, der stockbesoffen mit der Praktikantin rumknutschte, sei das meistens total verwackelt gewesen. „Der Typ war blau und die Kamera verhielt sich analog.“ Heute im Zeitalter der Digitalkameras verwackelt nichts mehr.“
Die studierte Soziologin Zink beobachtet und analysiert detailgenau die Eigenheiten der Menschen im Umgang mit den digitalen Neuerungen ihrer Zeit. Dabei lässt sie sich selber nicht aus, was beim Publikum Sympathien weckt.
Ob nun die Wohnung nachts einer beleuchteten Flugzeuglandebahn gleicht weil im Dunkeln die Lämpchen der Standby-Geräte leuchten, man völlig überfordert an der Selbstscanner-Kasse eines Möbelladens steht oder das Handy aus der Tasche holt, weil man es klingeln hört, obwohl niemand anruft. Letzteres Phänomen beschreibt Zink als Phantomklingeln. Das sei so wie Phantomschmerz bei Kriegsversehrten, denen das Bein weh tut, obwohl sie keins mehr haben. „Du wärst erreichbar gewesen, es hat aber keiner angerufen. Das tut weh.“
Begonnen hatte die Kabarett-Karriere der Diplomsoziologin Anka Zink Anfang der 80er Jahre im Springmaus-Ensemble in Bonn. Zusammen mit Dirk Bach und Bernard Hoecker machte sie mit dem neu gegründeten Improvisationstheater Schlagzeilen, wechselte dann aber nach einigen Jahren zum „Kom(m)ödchen“ nach Düsseldorf. Dort stand sie unter anderem mit Volker Pispers und Harald Schmidt auf der Bühne.
Neben ihren Soloprogrammen ist Zink oft Gast im Fernsehen. Das Sojus war mit knapp 40 Zuschauern lange nicht ausverkauft, trotzdem herrschte ausgelassene Stimmung, was auch daran lag, dass die Kabarettistin das Publikum immer wieder mit einbezog. So klingelte, mitten in einem Sketch über die ständige Erreichbarkeit durch Mobiltelefone, das Handy eines Zuschauers.
Zink reagierte schlagfertig und schickte alle in die Pause: „Dann können wir jetzt erstmal alle unsere Mails checken.“ Fazit des Abends: „Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass wir digital sind, hätte er uns nicht Stecker und Dose gegeben sondern eine USB-Schnittstelle“.