Erkrath: Uwe Krüger - Engagiert mit Routine und Gefühl

Uwe Krüger, Jugend- und Sozialamtschef, hat oft mit harten Schicksalen zu tun. Die gehen auch dem Profi nahe.

Erkrath. Als mich Uwe Krüger zum Interview in sein Büro bittet, steckt er gerade voll im Stress. Erst vor wenigen Tagen sind 21 Familien durch den Brand in der Strahlenhauser Straße von einem Augenblick zum anderen obdachlos geworden.

Für den Leiter des Sozialamtes ein Ausnahmezustand, der mit möglichst viel Kompetenz, Routine und der nötigen Gelassenheit bewältigt werden muss. In der Presse ist er gerade noch auf die Emotionsbremse getreten.

"Man muss das nicht dramatisieren, wir kümmern uns um die Leute", hat er dort verkündet. Von einem, der den Überblick behalten muss, wird das erwartet.

"Ich muss eine klare Linie fahren", findet er ebenso klare Worte für das, was in seinem Job von ihm verlangt wird.

Aber da gibt es auch noch ein anderes Leben, in dem ihm manches näher geht als ihm selbst lieb ist. "Hier geht seit Tagen die Post ab. Wir waren gestern mit sechs Leuten auf den Beinen, um Kühlschränke, Nudeln und Gummibärchen für die Kinder zu besorgen", ist die Unter-Vier-Augen-Version der Geschehnisse.

Und es gibt noch weitere: "Ich bin hier mit Dingen konfrontiert, von denen ich vorher nicht mal wusste, dass es so was in Erkrath überhaupt gibt", spricht er über Fälle von Missbrauch und Kindesmisshandlung, die auf seinem Schreibtisch landen. Manches davon verfolgt ihn bis in den Schlaf.

Uwe Krüger leitet seit drei Jahren das Jugendamt. Vor einem Jahr hat er auch die Leitung des Sozialamtes von Manfred Karcz übernommen, der nach Querelen im Amt in den Ruhestand geschickt wurde.

Die beiden Männer waren befreundet, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. Über die Zeit danach möchte Uwe Krüger nicht sprechen. Man spürt, wie nahe ihm die Sache geht.

Ein Mensch zwischen zwei Stühlen, zerrissen zwischen der Loyalität zu einem Freund und der Verantwortung für seinen Job.

Und der verlangt vor allem eines: ständig auf Unerwartetes zu reagieren und das aufzufangen, was andere sprichwörtlich in den Brunnen geworfen haben.

Familien an der Armutsgrenze, misshandelte Kinder, gewalttätige Jugendliche: es sind vor allem Menschen am Rande der Gesellschaft, die von Sozial- und Jugendämtern wieder in die Mitte geholt werden sollen.

"Das Jugendamt ist dann drin, wenn seelische Behinderung droht", sagt Krüger. Auch wenn er das Alltagsgeschäft an seine Mitarbeiter abgeben kann, behält er immer die Verantwortung.

"Deshalb gibt es absolut keinen Sparzwang, wenn irgendwo Kindeswohl bedroht ist", macht er klar.

In vielem, was Uwe Krüger erzählt, klingt eine andere, ungewöhnliche Lebenseinstellung durch. Die fünf Jahre, die er in den 90-ern quasi als Entwicklungshelfer auf den Philippinen gelebt hat, haben einen anderen Menschen aus ihm gemacht.

Seine damalige Frau musste ihn drängen, sich auf die Reise zu machen. "Ich bin eigentlich ein bodenständiger Typ und bis dahin war ich noch nie jenseits von Europa unterwegs", erinnert er sich an den Sprung ins kalte Wasser.

Auf den Inseln angekommen, geriet er mit dem Auto in einen Monsun. Er wurde durch die Frontscheibe auf die Straße geschleudert und verlor ein Auge.

Nach einer Woche im Krankenhaus hat er weitergearbeitet. "Ich hab das hingenommen, es gab wichtigere Dinge", sagt jemand, der Menschen sterben gesehen hat, weil ihnen das Geld für den Arzt fehlte.

"Wenn dort eine Büroangestellte an Brustkrebs erkrankt, ist dass das sichere Todesurteil. Es sei denn, sie kann irgendwo 28 000 Euro für die Behandlung auftreiben."

Nach fünf Jahren auf den Philippinen kehrte Uwe Krüger nach Deutschland zurück. Das Leben dort hat er hinter sich gelassen, die Eindrücke und Erinnerungen sind geblieben.

"Wir jammern auf sehr hohem Niveau", sagt er. Bei ihm ist das keine Floskel.

Auf die Frage, ob er etwas im Leben hätte anders machen wollen, an einer Weggabelung lieber einen anderen Weg eingeschlagen hätte, überlegt Uwe Krüger einen Augenblick.

Dann schüttelt er den Kopf. Als er 15 Jahre alt war, habe ihm sein Vater gesagt: "Junge, entweder du gehst zur Kasse oder aufs Amt."

Er ist aufs Amt gegangen, und hat es bis heute nicht bereut: "Das passt schon so. Und aus Erkrath will ich auch nicht mehr weg."