Haan: Die Revolution auf dem Tisch

Michaela Pfennig sammelt Spiele von früher. Am Samstag spielte sie mit Gleichgesinnten im Haus am Quall. Sie hatte auch ein Kartenspiel mit versteckter Erotik dabei.

Gruiten. "L’anarchie" steht auf einem der Spielfelder, "Socialité" auf einem anderen. Kleine Zeichnungen von Menschen, Skeletten und Tieren sind eng nebeneinander abgebildet und sollen dem Spieler die Inhalte der französischen Revolution von 1789 nahebringen. Durch Geschick und Würfelglück sollten die Spieler die Inhalte der Revolution nachvollziehen können - zu einer Zeit als sich auch in Deutschland revolutionäre Strömungen ankündigten.

"Das Spiel hatte im 18. und 19. Jahrhundert eindeutig politischen Charakter. Es war für fünf Sou zu haben, so dass es sich auch einfache Leute leisten konnten", erzählt Michaela Pfennig. Ihr gehört die aufwändige Replik dieses Revolutionsspiels, das am Samstag nur eines von vielen Spielen aus der Zeit der Romantik und des Biedermeier war.

"Ich sammle seit etwa fünf Jahren alte Spiele", erzählt Michaela Pfennig. Sie ist Mitglied des Frankfurter Fördervereins Petri Haus und hat einen Teil ihrer Sammlung mit nach Gruiten gebracht. Dort wurde am Samstag im Haus am Quall gespielt, was das Zeug hielt. Es ging um gute und schlechte Charaktereigenschaften beim Spiel "Reise in die Ewigkeit", um Würfelglück beim "Gänsespiel" oder um vorhandenes Wissen beim Spiel "80 Tage um die Welt".

Ein knappes Dutzend Spieler probierte in drei Stunden die verschiedenen Spiele durch und begab sich so auf eine vergnügliche Reise in die Vergangenheit. "Dieses Kartenspiel hier", sagt Michaela Pfennig und deutet auf einen Stapel, "kommt immer gut an." Warum das so ist, erschließt sich allerdings erst auf den zweiten Blick, und zwar dann, wenn man die Karten vors Licht hält. Pfennig holt eine Taschenlampe hervor und auf der eben noch weißen Karten ist plötzlich eine kolorierte Szene zu sehen, die ein Paar beim Liebespiel zeigt - und zwar in eindeutiger Pose. "Es ist halt ein erotisches Kartenspiel", schmunzelt Pfennig.

Vor 1850 waren die meisten Spiele handgefertigt, wurden aufwändig coloriert und waren entsprechend teuer. Erst mit Aufkommen der Lithographie wurde auch der Druck von Spielen massentauglich. Aus dieser Zeit stammen die meisten Spiele von Michaela Pfennig. Sie sind zwar keine Originale, denn die sind sehr selten und auch wertvoll, aber dafür sind die Spiele von ihr originalgetreu und vermitteln ihren Spielern genauso viel Spaß wie vor 200 Jahren.