Hochdahl: Abstieg vom Schuldenberg

Privatinsolvenz: Eine Erkratherin erzählt ihre Geschichte, die in Schulden in Millionenhöhe endete. Jetzt wird ihr geholfen.

Hochdahl. Das Wort "Schuldner" mag Carmen Wolf überhaupt nicht. Seit 1998 ist sie Schuldnerberaterin beim Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) Erkrath. Denn die meisten ihrer Klienten seien unverschuldet zahlungsunfähig geworden. so die Pädagogin.

"Typische Fallen sind Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung. Konsumschuldner machen nur einen geringen Anteil aus." Und auch das seien "oft Menschen, wie zum Beispiel Jugendliche und ältere Menschen, die den raffinierten Methoden der Anbieter nicht gewachsen sind."

Bei Julia Beh (Name von der Redaktion geändert) war es die Liebe. Mit 35 lebte sie im eigenen Haus, hatte ein geregeltes Einkommen und genug Zeit, sich um die damals zehnjährige Tochter zu kümmern. Heute ist sie Mitte 50 "und alles, was ich besaß, ist weg."

Denn damals trat dieser Traummann in ihr Leben, aufmerksam, liebevoll, zugewandt. Ein anscheinend erfolgreicher Geschäftsmann. Freunde und Verwandte waren ebenso hingerissen wie sie selbst. Sie kam gar nicht auf die Idee, vor der Heirat eine Schufa-Auskunft einzuholen. "Dann hätte ich erfahren, dass er meinen Namen brauchte, weil er selbst keine Geschäfte mehr machen durfte." So aber ließ sie sich zur Selbständigkeit ermutigen, gründete eine eigene Firma. Dass er seine Geschäfte über ihr Konto laufen ließ, nahm sie als Vertrauensbeweis. "Er war ein Blender", sagt sie heute. "Er hat meine Unwissenheit ausgenutzt, ich war die Deckadresse."

Die Schwierigkeiten ließen nicht lange auf sich warten. Während er sich einer anderen Frau zuwandte, kämpfte sie mit Mahnbescheiden vom Amtsgericht, führte Prozesse, die sich über Jahre zogen - und hatte Schulden in Millionenhöhe. "Schließlich hatte ich regelrecht Angst, in den Briefkasten zu gucken." Dazu kamen Scham und Selbstvorwürfe.

Von der Schuldnerberatung las sie in der Zeitung. Bei Carmen Wolf konnte sie sich alles von der Seele reden. "Man steht vor einem Berg, weiß nicht, wo man anfangen soll. Hier ist jemand, der einem da durchhilft."

Wolf begleitete ihre Schritte zur Privatinsolvenz. "Diese sechs Jahre absoluter Einschränkung werden oft als Horror hingestellt", sagt Wolf. "Dabei ist es für viele die Befreiung. Kein Gläubiger mehr, kein Mahnbescheid, keine Pfändung."

Zwar ist in den sechs Jahren bis zur Schuldenfreiheit der Treuhänder der wichtigste Mensch in ihrem Leben - ihm müssen alle Veränderungen, beim Lohn, beim Kindergeld, auch Geldgeschenke angegeben werden. Aber er macht auch die ganze Arbeit.

Beh kann das nur bestätigen. "Als ich vor zwei Jahren den Antrag in die Post gab, war das die pure Erleichterung." Für Extras fehlte schon lange vorher das Geld. Jetzt arbeitet sie wieder als Angestellte. Vom Lohn erhält sie monatlich knapp 1000 Euro. Davon muss sie alles bestreiten: Miete, Ernährung, Kleidung, Versicherung. Wenig sei das schon, sagt sie. "Doch es ist meins, niemand macht es mir streitig und ich kann eigenständig darüber verfügen." Und in vier Jahren wird sie schuldenfrei sein.