Im Schilderwald wird aufgeräumt
Eine Flut von Verkehrszeichen sorgt mitnichten für mehr Sicherheit. Vielmehr lenken sie die Autofahrer ab. Also weg damit.
Kreis Mettmann. Der Blick schweift über Wiesen sowie einen bunt bepflanzten Kreisverkehr. Es gibt einiges zu sehen am Treffpunkt auf der Hildener Straße, die den Langenfelder Stadtteil Richrath mit dem Süden von Hilden verbindet. Doch die beiden Männer, die aus einem in der Nähe geparkten Toyota Prius gestiegen sind, haben keinen Blick dafür. Ihr Interesse gilt den Verkehrszeichen entlang der Landstraße.
„Sehen Sie mal”, sagt Martin Langlitz: „Dieses Radweg-Schild ist völlig verwittert, der Warnhinweis auf Begegnung mit Fußgängern nicht mehr zu lesen. Und das Halteverbotsschild direkt daneben ist überflüssig, weil auf einer Landstraße generell nicht gehalten werden darf, es sei denn, das ist ausdrücklich erlaubt.” Langlitz ist Verkehrsreferent beim ADAC Nordrhein und gekommen, um Verkehrszeichen darauf zu prüfen, ob sie intakt sind — oder womöglich überflüssig.“
Das ist öfter der Fall, als man glaubt. In Hilden etwa fallen ihm binnen zwei Stunden rund 15 Schilder auf. Der Experte ist gerade erst aus dem Städtchen Wachtberg zurückgekehrt, wo er an einer Verkehrsschau mit Polizei und Stadt-Behörden teilgenommen hat. Jede Menge Verkehrszeichen seien so abgebaut worden, teilt er mit. In mancher Stadt waren es fast 40 Prozent. In Hilden führt Langlitz nur ein paar Stichproben durch — aber auch die haben es in sich. So entdeckt er auf der Südstraße einen Bereich, in dem auf gefühlte 15 Meter Straßenfläche fünf bis sechs Verkehrsschilder kommen, die alle mehr oder weniger dasselbe aussagen. Eines von ihnen ist derart von einer Efeuhecke umrankt, dass es kaum noch erkennbar ist.
An der Mozartstraße wiederum entdeckt der ADAC-Experte in einer Tempo-30-Zone überflüssige „Kreuzung oder Einmündung mit Vorfahrt von rechts“-Schilder. „In einer 30er-Zone gilt generell rechts vor links“, führt Martin Langlitz aus. „Das muss ich nicht extra noch mit weiteren Schildern unterstreichen.“
„65 Prozent aller Verkehrsunfälle basieren auf Fehlern in der Wahrnehmung”, sagt Roman Suthold, Leiter des Bereichs Verkehr beim ADAC Nordrhein. Unnötige Reize, wie überflüssige Verkehrsschilder, könnten dazu führen, dass sich Reaktionsweg und Bremsweg verlängern. „Gerade Ortsfremde sind vermehrt auf Orientierungshilfen angewiesen“, sagt Suthold. „Daher kann gerade für sie die Überschilderung zu einem echten Problem werden.“
Der ADAC bietet Städten an, an den regelmäßigen Verkehrsschauen mit Polizei und örtlichen Behörden teilzunehmen. „Überall, wo wir Handlungsbedarf sehen, werden die Schilder zunächst mit einem gelben Sack verdeckt“, berichtet Martin Langlitz. Nach drei Monaten werde dann Bilanz gezogen. “ Fast überall, wo wir bisher waren, konnte danach auf die Schilder verzichtet werden“, sagt der Verkehrsreferent. Das macht sich auch in der Stadtkasse bemerkbar: denn jedes Verkehrszeichen kostet rund 200 Euro.
In Leverkusen und Köln wird der ADAC inzwischen wegen seines „Blicks von außen“ zu den Verkehrsschauen regelmäßig eingeladen. In Hilden noch nicht, wie Tiefbauamtsleiter Harald Mittmann bestätigt. „Den Blick von außen stellen wir sicher, indem aus den anderen Städten des Kreises Vertreter an unserer Verkehrsschau teilnehmen“, sagt er, denn die Termine würden durch die Kreisverwaltung organisiert. „Hinweise des ADAC nehmen wir gerne auf“, sagt der Amtsleiter, „denn auch wir vertreten die Auffassung, dass jedes überflüssige Schild eine Verkehrsbelastung darstellt“.