Mettmann: Alte Menschen im Fokus
Tom Abraham fotografierte am Freitag Senioren im Caritas-Altenstift mit dem, was ihnen wichtig ist. Sie werden Teil einer Ausstellung.
Mettmann. Gretchen heißt die Puppe, die auf dem Schoß von Frau Kruse sitzt. Die Puppe ist alt, das Gesichtchen schon ganz blass. Irgendjemand hat sie in ein rosafarbenes Häkelkleidchen gesteckt. Gretchen liebt Frau Kruse über alles. Sie lacht mit ihr, spricht mit ihr und streichelt sie. Gretchen erinnert die 76-Jährige an ihre eigenen Kinder und Enkel - die für sie weit weg sind.
Edith Kruse lebt im Caritas-Altenstift an der Schumannstraße - sie hat Demenz. Die Familie stand für sie immer im Mittelpunkt. Gretchen hält die alte Frau mit einer Hand fest umschlossen. Ihr leerer Blick geht starr geradeaus. Dann lächelt sie plötzlich, und Tom Abraham drückt auf den Auslöser.
"Was wirklich zählt" - für das Projekt hat der Fotograf am Freitag 15 Bewohner des Altenstifts fotografiert. In Solingen und Hamburg wird Abraham in den nächsten Tagen weitere Menschen in Altenheimen porträtieren - mit dem Gegenstand, der für sie wirklich zählt.
Abraham will mit den Aufnahmen die Bedeutung des Materialismus in unserer Gesellschaft hinterfragen. "Was ist der Materialismus wert? Was zählt am Ende eines Lebens?" Das will er wissen. Aber Abraham will auch Menschen außerhalb der wahrnehmbaren Gesellschaft zeigen. Menschen, die sich mit der Vergangenheit, aber nicht mehr mit der Zukunft auseinandersetzen.
Unterstützt wird das Projekt vom Verein "Lebensherbst", der ältere pflegebedürftige Menschen unterstützt - auch im Caritas Altenstift. Die Fotos sollen mit einer kurzen Vorstellung der Senioren sowie einer Erläuterung zum Gegenstand auf einer eigenen Webseite veröffentlicht werden. Zuvor werden die Porträts, die in einer Wanderausstellung durch die Republik ziehen sollen, im Herbst im Berliner Nobel-Hotel Adlon erstmals gezeigt.
Theo Buter (80), der 35 Jahre lang Pfarrer an St. Thomas Morus war, hat eine kleine alte Schreibmaschine von 1927 mitgebracht. "Die habe ich von meinem Vater geerbt. Damit habe ich während meines gesamten Studiums geschrieben." Und einen Kelch hat der Seelsorger dabei. "Den hat mir meine Familie 1957 zur Priesterweihe geschenkt." Die Eheringe seiner Eltern sind in den Kelch eingearbeitet worden.
Für Martha Kucharczyk (93) ist ihre schwarze Handtasche zum wichtigsten Gegenstand geworden. Mit ihr fühlt sie sich sicher, zufrieden. Die Tasche braucht sie auch zum Einschlafen. Maria Esser (95) lacht wie ein Schelm, als sie zum Foto-Termin mit einem Glas Sherry kommt. Ihr Arzt hat ihr einst empfohlen: "Lieber abends einen Sherry als eine Schlaftablette." Daran hat sie sich bis heute gehalten.
Tom Abraham, der durchaus der Großenkel seiner betagten Modelle hätte sein können, zeigte viel Einfühlvermögen. Er hörte den Alten bei ihren Geschichten zu und half ihnen vom Rollator in den Sessel vor der Kamera. Nach dem Fototermin freuten sich die Porträtierten aufs Abendbrot.