Leben in Mettmann Gedenken zwischen Licht und Stacheldraht

Mettmann · Am Samstagabend leuchten 50 Kerzen in der Evangelischen Kirche. Zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 verbinden Schülerinnen und Schüler des Konrad-Heresbach-Gymnasiums die Erinnerung mit aktueller Ungeheuerlichkeit.

Schülerinnen und Schüler des Konrad-Heresbach-Gymnasium haben das Holocaust-Gedenken am Samstag auf dem Lavalplatz vorbereitet.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Das Licht steht für das Leben, das Glas für die Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers. Der Stacheldraht symbolisiert die Nazis-Diktatur. 50 dieser Objekte werden am Samstagabend in Mettmann leuchten – zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee.

Die Trauer gilt unter anderem sechs Millionen jüdischen Opfern, sieben Millionen toten sowjetischen Zivilisten, drei Millionen getöteten sowjetischen Kriegsgefangenen, 1,8 Millionen toten polnischen Zivilisten, 250 000 ermordeten Menschen mit Behinderung, 250 000 ermordeten Sinto und Roma bis hin zu Johannes Flintrop, Mettmanner Kaplan und Lehrer am Konrad-Heresbach-Gymnasium.

Um 18.30 Uhr beginnt das Gedenken am Koburg-Mahnmal auf dem Lavalplatz und geht anschließend in der Evangelischen Kirche an der Freiheitstraße weiter. Schülerinnen und Schüler des Konrad-Heresbach-Gymnasiums haben die Lichtinstallation nach dem Vorbild des Kunstwerks „Der Schrein“ in Baracke 47 des KZ Majdanek kreiert. 50 Lichter für Menschen aus 50 Nationen, die zu Opfern wurden. Und sie haben Texte vorbereitet, die verlesen werden.

Jana (18), Rania (17) und Johanna (18) aus der Polen AG des KHG haben im Rahmen ihres Schüleraustauschs die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Majdanek besucht. Sie haben stumm in den Gaskammern gestanden. Haben Schuhe in Stahlkäfigen gesehen. Jedes Paar steht für einen ermordeten Menschen.

Johanna beschreibt die Stimmung in Majdanek so: „Es waren mehrere Schulklassen dort. Aber es war sehr still. Wir waren alle sehr angespannt.“ Das Unfassbare mit den eigenen Augen zu sehen – schafft Bilder, die in den Köpfen bleiben. Tim sagt: „Als junge Generation sind wir nicht schuld an dem, was passiert ist. Aber wir sind verantwortlich dafür, wie wir mit der Erinnerung daran umgehen.“ Deshalb haben sie sich für die Gedenkfeier gemeldet.

Doch es ist nicht allein der Blick zurück, der die Schülerinnen und Schüler schaudern lässt. „Wir müssen uns zugleich für die Zukunft wappnen“, sagen sie. Dass heute wieder Rechtsextremisten bis hinein in die CDU in einem Brandenburger Landhotel über millionenfache „Remigration“ schwafeln – mit diesem AfD-Wort ist „Deportation“ gemeint – das macht sie fassungslos.

Schüler wollen sich nicht auf
dem bereits Erreichten ausruhen

Ja, sagen sie, Demokratie lebe von Diskussion und der Vielfalt der Meinungen. Doch was da, nur acht Kilometer entfernt vom Ort der Wannsee-Konferenz der Nazis passiert ist, überschreite die Grenze. Toleranz ende, wenn irgendein rechtsradikaler Referent Millionen von Leben und Schicksalen zur Disposition stelle.

Deshalb sei es gut, dass jetzt die bürgerliche Mitte dieses Ausmaß an Rassismus und Menschenverachtung nicht hinnehme, sondern dagegen demonstriere. Man dürfe dieselben Fehler nicht wieder machen. „Wir müssen aktiv für unsere Werte einstehen“, sagt Leander (17). „Wir können uns nicht ausruhen, auf dem, was unsere Gesellschaft erreicht hat.“ Sonst seien Demokratie und Freiheit plötzlich weg. Und es regieren wieder Kriminelle.

Deshalb haben sie in den vergangenen Tagen auch die Schulgemeinschaft des KHG aufgerüttelt. Es gab Mails und Durchsagen, dass doch bitte möglichst viele kommen. Wer in den eigenen Klassen auf jene treffe, die Sätze mit „Das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen…“ beginnen, sollte versuchen, in die Diskussion zu kommen – sagen die KHG-Schüler der Vorbereitungsgruppe. Leicht sei das nicht – denn oftmals seien Hass und Frust groß.

Deutschlehrer Stefan Castelli hatte Texte vorgeschlagen, aus denen der gemeinsame Vortrag beim Gedenken am Samstagabend entstanden ist. Religionslehrerin Antje Artmann steuerte das Gedicht bei, mit dem der Vortrag endet. Wenn es gut läuft, bleiben alle noch ein wenig länger in der evangelischen Kirche, um miteinander zu sprechen. Und um deutlich zu machen: Die bisher schweigende Mehrheit hält nicht länger den Mund – sondern bietet den Feinden von Freiheit und Demokratie die Stirn, damit sich millionenfacher Mord, Vertreibung, Gewalt und Tod nicht wiederholen.

Kein einfaches Erinnern, sondern eine Mahnung.