„Der Zustand ist katastrophal“
Nach einem Ortstermin im Asylheim Gratenpoet spricht sich der Sozialausschuss für einen Neubau der Anlage aus.
Ratingen. „Das Schlimmste ist die Enge“, sagt Suzanne Benie Cou. „Meine Tochter hat nicht den geringsten Platz, um mal zu spielen.“ Die junge Afrikanerin lebt mit der acht Monate alten Marie auf gerade einmal neun Quadratmeter in dem Asylheim Gratenpoet in Tiefenbroich.
Dort wohnen, essen, schlafen sie. Das Zimmer ist mit dem Bett von Suzanne und dem Kinderbett von Marie schon so gut wie voll — und doch wollen auch die wenigen Habseligkeiten der kleinen Familie noch untergebracht sein.
Das Wohnheim ist eines von sechs in Ratingen. Insgesamt leben 235 Menschen in den Einrichtungen. In Tiefenbroich sind es 32. Und sie müssen in katastrophalen Zuständen leben: Es gibt nur eine Gemeinschaftsdusche und Toilettenräume für alle, die hygienischen Bedingungen sind alles andere als ideal. Zudem ist es im Sommer wegen des dünnen Wellblechdachs extrem heiß, im Winter sehr kalt.
Am Donnerstag verschafften sich Mitglieder des Sozialausschusses und Helfer verschiedener caritativer Verbände bei einem Ortstermin am Asylheim einen Eindruck davon, wie die Menschen vor Ort leben. Denn im politischen Raum steht die Frage zur Debatte: Soll das Heim saniert oder neu gebaut werden?
Die meisten, die gekommen waren, reagierten bestürzt. Ihre Beschreibungen reichen von „menschenunwürdig“ über „katastrophal“ bis hin zu „nicht haltbar“:
Maik Groschik, der mit seiner Frau zu dem Ortstermin gekommen war, bemerkte aber auch: „Es liegt aber auch an den Menschen, die hier leben. Jeder ist auch selbst ein bisschen verantwortlich für die Art und Weise, wie er mit den vorhandenen Dingen umgeht.“
So war die Abstimmung in der sich an den Ortstermin anschließenden Sozialausschusssitzung reine Formsache. Christian Wiglow, SPD-Fraktionschef, stellte den Antrag, die Anlage Am Gratenpoet entweder dort oder an anderem Ort unter Abwägung wirtschaftlicher Interessen nicht etwa zu sanieren, sondern neu zu bauen. Denn eine Sanierung, sagte Wiglow, sei angesichts der Verhältnisse nicht sinnvoll, da man nur nach wenigen Jahren wieder am gleichen Punkt stünde. Der Vorschlag wurde einstimmig und fraktionsübergreifend angenommen.
Nach Aussage von Erhard Raßloff, Leiter des Sozialamtes, kostet eine Sanierung rund 100 000 Euro. „Die Kosten für einen Neubau soll die Verwaltung jetzt ermitteln“, sagte er am Freitag der WZ. Auch wenn er nichts gegen einen Neubau habe, sehe er jedoch mehrere Schwierigkeiten, die damit verbunden sind: „Erstens wissen wir nicht, wo die Menschen dann untergebracht werden sollen, wenn neu gebaut wird. Zweitens hat die Stadt nicht mehr so viele Grundstücke, auf denen gebaut werden kann, sollte man sich für einen anderen Standort entscheiden.“