Generationenwechsel im „Il Forno“

Am 24. Juni verabschieden sich Bruno Marra und seine Frau Franca von ihren Gästen.

Foto: Achim Blazy

Ratingen. Der Mann in weißem T-Shirt und weißer Schürze faltet am späten Vormittag Pizzakartons zusammen. Ein ziemlicher Stapel ist schon von draußen durchs Fenster zu sehen — Beginn eines ganz gewöhnlichen Arbeitstages für Bruno Marra. Drinnen duftet es nach den ersten Pizzabrötchen des Tages. So kennt es wohl jeder, der, von Ratingen Ost oder vom Wilhelmring kommend, in die Hochstraße einbiegt Richtung Innenstadt. Der Mann in weißem T-Shirt und weißer Schürze war immer schon da. Sechs Tage die Woche. Immer schon? Naja, nicht ganz. Aber seit 34 Jahren. Und damit soll in wenigen Tagen Schluss sein? „Ja, wir haben am Samstag, 24. Juni, unseren letzten Arbeitstag“, sagt Bruno Marra, Chef und Besitzer der Kult-Pizzeria „Il Forno“ (zu Deutsch: Der Ofen).

Seine Frau Franca Marra-van den Boogaard weiß auch schon, was vom Tag danach an folgen wird: „Entspannen und genießen.“ Und das erstmal daheim im eigenen Haus am nahen Backhausfeld. Was schon fast wieder ein Namensbezug zur Passion des 61-jährigen Mannes aus Leverano sein könnte. Bruno Marra liebt die Arbeit an seinem Ofen — einem Prachtexemplar erster Güte, das von seinem ersten Arbeitstag an am Platz stand.

Der Ofen. Dazu die Retroschick-Uhr (Victoria Station London 1879, steht auf dem Zifferblatt). Eine Weihnachtskarte der Enkel. Drumherum Mobiliar der Marke „unverwüstlich“, blauweiß gestreifte Tischdecken. Drei Tafeln, mit Kreide beschrieben — die Gerichte des Tages. Eine Karikatur an der Wand, Aufschrift. „Il Forno ist super“ — was zeigt sie? Einen begeisterten Pizzabäcker am Ofen natürlich.

Es sind solche Details, die Bruno Marras Arbeitsplatz über Jahrzehnte einen Hauch von privatem Wohnzimmer verliehen. Und irgendwie ist es ja auch so: „Ich habe insgesamt über 47 Jahre gearbeitet. Und nie einen Tag gefehlt.“ Franca bestätigt das: „Bruno geht auch mit dem Kopf unterm Arm zur Arbeit.“ Trotzdem: Von Romantik oder Nostalgie keine Spur. Der Anfang war hart. Mit einer schriftlichen Vollmacht der Mutter in der Tasche reiste der nicht mal 14 Jahre alte Bruno aus der Heimat nach Düsseldorf.

In der Altstadt lagen erster Arbeitsplatz und erstes Zimmer nahe beieinander. „400 Mark pro Monat habe ich anfangs verdient — und die Hälfte davon nach Hause geschickt. Vor allem das erste Jahr war schwer.“ So klingt es in der Rückschau nach fast einem halben Jahrhundert. Jetzt ist das Ladenlokal verkauft, der Hausbesitzer empfahl schon den Nachfolger. Seit Wochen arbeitet Bruno Marra den Düsseldorfer Hendrik Herm inzwischen ein. „Die meisten Kunden kennen ihn schon. Die Linie des Hauses soll bleiben“, sagt Franca. Was Änderungen und neue Ideen natürlich nicht ausschließt.

Kaum zu glauben, dass einer wie er jetzt einfach die Füße hochlegt, sich Urlaub gönnt und drüber freut, keine Verpflichtungen mehr zu haben. Aber ganz so ist es nun auch wieder nicht. Immerhin hat Brunos Vater, 87 Jahre alt, unmissverständlich einen Wunsch geäußert. „Einer der Söhne muss das Weinmachen in der apulischen Heimat von ihm übernehmen. Er selbst schafft das so nicht mehr wie gewohnt.“ Das wird der Ex-Il Forno-Chef ab Herbst angehen. „Der Vater hat uns immer mit Wein versorgt, 1500 Liter pro Jahr für die Familie gekeltert. Das muss einfach weitergehen.“

Und schon ist Bruno Marra wieder mittendrin — Ruhestand hin oder her. Seine Frau hat schon eine gewisse Vorahnung: „Du wirst ein leidenschaftlicher Winzer.“