Kleinod am Rande der plätschernden Anger

Kein Telefonklingeln, kein Autohupen, bloß Ruhe und Natur. Die Welt im Wald beim Angerbach ist trotz „Ela“ in Ordnung.

Foto: Dietrich Janicki

Ratingen. „Waldeinsamkeit / Die mich erfreut / So morgen wie heut / In ewiger Zeit / O wie mich freut / Waldeinsamkeit“, ließ Ludwig Tieck seinen „Blonden Eckbert“ jubilieren. Im Grunde genommen nicht weniger euphorisch als der berühmte Autor aus der Epoche der Romantik lassen sich Wälder vor unserer Haustür auch jetzt noch bejubeln. Zwar hat Pfingststurm „Ela“ eine Schneise zwischen der Innenstadt bis Richtung Breitscheid geschlagen. „Schön“ ist es im Grün aber noch immer, wie Oberförster Christoph Menzel weiß.

Um das zu demonstrieren, geht es durch eines der Reviere des umfangreichen Besitzes der Forstverwaltung Graf von Spee, die er betreut. Start ist an der Auer Mühle, parallel zum leise vor sich hinplätschernden Angerbach. „Das sind steile Stellen, schwer zugänglich“, verweist er auf drei von „Ela“ dahingeraffte Riesenbuchen. Deren imposantes Wurzelwerk starkst nun seit mehr als einem Jahr in die Luft, die Erde unter dem entwurzelten Bäumen erinnert an eine offene Wunde. Wenige Stunden am Pfingstmontag 2014 reichten, einen verheerenden Schaden anzurichten. Etwa 50 000 Kubikmeter Scherbenholz zogen der Oberförster und seine Waldarbeiter aus den gräflichen Arealen. „An besagtem Abend musste die Feuerwehr die umgestürzten Bäume, die sich über Zufahrtswegen zum Lokal im Angertal befanden, frei schneiden“, erinnert er sich. Nur mit Taxen konnten die Gäste das Gebiet verlassen.

Inzwischen sind die Aufräumarbeiten weit fortgeschritten. Zwar sind unfreiwillige Lichtungen geblieben, aber der Laubwald strahlt an vielen Ecken in alter Frische. „Potentielle natürliche Vegetation“ heißen Buche, Eiche und Esche, die hier hauptsächlich wachsen, im Fachjargon. Sie sollen auch weiter das Bild bestimmen. Und damit das so ist, setzt das Forstteam auf die „natürliche Erneuerung, ein langsamer Prozess“, bei dem vom benachbarten Mutterbaum zum Beispiel Bucheckern auf fruchtbaren Boden fallen und in zehn bis 15 Jahren eine kleine, hübsche Buche wächst. Plan B sind gepflanzte Bäume. Sie kommen aus Baumschulen und sehen bereits nach drei Jahren spitze aus, wie Christoph Menzel sagt. Allerdings sind sie auch ein „Leckerbissen fürs Wild“, weshalb sie zum Schutz vor unerwünschten Anknabbereien umzäunt werden.

Aber nicht nur Unwetter sorgen für Veränderungen. „Robinien, gemeinhin „Akazie“ genannt, fühlen sich zunehmend in unseren Wäldern wohl.“ Ursprünglich südlich der Alpen in Ländern wie Ungarn beheimatet, sind sie ein sicheres Zeichen für Klimaveränderungen. Das Gleiche gilt für immergrüne Pflanzen wie Efeu oder die Stechpalme Ilex ebenso wie Ginster. Salopp gesprochen haben sie hier nichts verloren, aber „je höher die Durchschnittstemperatur, desto öfter wachsen sie“. Auch sonst kennt der Oberförster quasi jede Pflanze, was da so hoch und gerade wächst, ist eine Esche, die Eiche liebt einen sehr nassen Boden, drumherum wachsen gerne Brombeeren und die Buchen dulden neben sich nichts, denn „sie dunkeln mit ihren Blattkronen den Boden total ab“.

Den Wald betritt der Spaziergänger grundsätzlich auf eigene Gefahr, auf Holzstapeln sollte niemand seine Balancierkünste erproben, „die könnten nämlich in Bewegung geraten“ und wer mehr als einen Stock zur Bespaßung seines Hundes nimmt, ist ein Dieb. „Man kann nicht einfach Holz ernten“, also ungefragt klafterweise aus dem Wald entnehmen, dafür muss eine Absprache mit dem Besitzer getroffen werden. Allerdings nimmt Holzdiebstahl gravierend zu, vor allem abends und an Wochenenden. Wobei der Oberförster viel Verständnis dafür hat, knisternde Holzscheite im Kamin zu verbrennen. Nicht wegen der Romantik, sondern weil es „ökologisch sehr sinnvoll ist und die CO2-Bilanz deutlich verbessert.“