Tagesmutter mit Liebe und Distanz

Sylvia Märkle arbeitet für den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Sie betreut als Tagesmutter eine Kindergruppe.

Foto: Dietrich Janicki

Ratingen. Zwerge und tönerne Pilze im Vorgarten, frische Astern und immer blühende Tulpen daneben, ein Sonnenblumen-Begrüßungsschild: Hier müssen Frohsinn und Liebe zum schmückenden Detail zu Hause sein. In einem kleinen Backsteinbau, verborgen in der zweiten Reihe und deshalb fern vom Autoverkehr, residieren Sylvia Märkle und ihr Mann Rolf. Und dazu lebt hier eine muntere Schar von Jungen und Mädchen im Alter von acht Wochen bis zu drei Jahren. Sie sind „in Tagespflege“, wie man das amtlich so nett nennt. Und sie sind offenbar in guter Obhut, wie man schon bald merkt.

Sylvia Märkle wurde vor 52 Jahren in Düsseldorf geboren, hatte keine Geschwister, ging einen eher normalen Weg durch die Schule und wurde Versicherungskauffrau, arbeitete zehn Jahre in dem Beruf. Sie lernte Rolf kennen, man heiratete, als sie 21 Jahre alt war. Mit 24 brachte sie die erste von drei Töchtern zur Welt. So weit, so üblich.

Doch schon vorher, als die Eheleute inzwischen in Ratingen wohnten, wurde Sylvia „Tagesmutter“, um einmal den Begriff der „Tagespflegeperson“ liebenswürdig zu umschreiben. Sie ist nämlich eher Mutter als Person. Doch die Bezeichnung soll für Männer wie Frauen gelten und verliert deshalb einiges von ihrem Charme.

Fühlt sie sich nun für die Nachkommen eher fremder Leute verantwortlich, weil sie als Einzelkind groß geworden ist, weil da irgendwas zu kompensieren wäre? Bei ihr muss man nicht in die Küchenpsychologie-Kiste greifen und nach Vieldeutigkeiten suchen. Sie ist das, was man sich für Menschen ringsum viel häufiger wünscht — sie ist absolut authentisch. Und wäre lieb nicht ein so verhunzter Begriff, dann würde er voll auf sie zutreffen. Sylvia Märkle liebt die Kinder, um die sie sich kümmert. Und hat dennoch die erforderliche Distanz, die sie für den Umgang mit den Jungen und Mädchen braucht.

Man muss schon gute Nerven und eine stabile Gesundheit haben, wenn man ab 5.30 Uhr und bis 20 Uhr parat steht, um die Prinzen und Prinzessinnen aus anderen Familien aufzunehmen. Sind die erst einmal da, wird gespielt, gemalt, gebastelt, gelacht. Überbauend gesagt: Die Kinder bereiten sich auf eine Gemeinschaft vor, lernen es, miteinander klar zu kommen, Rücksicht zu nehmen, lernen schlicht gescheites Sozialverhalten. Und das alles geschieht amtlich begutachtet und nach den Bedingungen honoriert, die auch für Kitas gelten. Vor dem Mittagessen wird im großen Spielzimmer gemeinsam aufgeräumt, nach dem Essen — „Ich koche Hausmannskost und das, was die Zwerge gern essen“ — folgt ein Mittagsschläfchen. Wer aufbleiben will, kann das tun. Nach der Ruhezeit pilgert die Truppe in den großen Spielgarten, den Märkles nebenan gepachtet haben, hat Spaß auf der Rutsche, im Sandkasten, spielt mit dem Ball. Und Sylvia immer mittendrin. Freizeit hat die Tagespflege-Frau abends und am Wochenende. Natürlich muss auch sie putzen, waschen, einkaufen. Dabei hilft ihr Mann. Nein, die Arbeit wird ihr nicht zu viel; ja, sie unternimmt auch was. Sie ist dann häufig unterwegs, sie feiert, und in diesem Jahr mehrfach: den 30. Hochzeitstag, Oma (und Opa) geworden, demnächst den 60. Geburtstag ihres Mannes.