Weihnachtsbräuche: Das Geheimnis der Könige

Stadtführerin Ingrid Neulen weiß, warum Gasthäuser königliche Namen haben. Sie kennt sich mit so mancher Tradition zum Fest aus.

Ratingen. Wann wurde der Adventskranz erfunden? Wieso heißen Gasthäuser „Zu den drei Königen“ oder „In der Crone“? Seit wann werden Weihnachtsbäume aufgestellt? Warum werden an Weihnachten Geschenke gemacht? Seit wann gibt es Adventskalender? Fragen über Fragen. Auf viele gibt Ingrid Neulen jedes Jahr im Advent Antworten. Die Stadtführerin verknüpft dann einen historischen Rundgang zu den markantesten Flecken der Stadt mit den bekanntesten Weihnachtsbräuchen.

Beim Blick auf den großen Adventskranz in der evangelischen Stadtkirche sprudelt Neulen los: „Erfunden wurde der Adventskranz von dem evangelisch-lutherischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern in Hamburg.“ Wichern leitete ein Waisenhaus, und da die Kinder während der Adventszeit immer fragten, wann endlich Weihnachten sei, baute er 1839 aus einem alten Wagenrad einen Holzkranz mit 20 kleinen roten und vier großen weißen Kerzen — für die Sonntage — als Kalender. Später reduzierte sich die Zahl der Kerzen auf vier.

Im Arkadenhof oder auf dem Marktplatz erzählt Neulen, was es mit den Tannenbäumen auf sich hat. Da Tannenbäume in Mitteleuropa selten waren, konnten sich diese zunächst nur die begüterten Schichten. Die ersten standen in Zunfthäusern, der Brauch breitete sich im 19. Jahrhundert schnell in Bürgerfamilien aus und zog bis in Adelskreise ein. Kerzen am Baum gab es noch später — sie waren einfach zu teuer, weil aus Bienenwachs hergestellt. Neulen: „Paraffin wurde erst 1830 erfunden.“ Und die Erfindung des Klemmhalters dauerte nochmals 40 Jahre.

Warum heißt das Gasthaus am Markt „Zu den drei Königen“? Klar, das Hauszeichen an der Wand über der Eingangstür zeigt drei Könige. Die berühmten aus dem Morgenland? Ja, denn laut Neulen gelten sie als die Schutzpatrone der Gasthäuser. Deshalb tragen viele Gasthäuser auch oft Namen wie „Zur Krone“, „Zum Mohren“ oder „In der Crone“ — wie das Haus gegenüber dem alten Minoritenkloster.

Apropos Minoritenkloster: das wurde von Franziskanern gegründet. Und deren Gründer, der Heilige Franz von Assisi, war der erste, der eine lebendige Krippe „erfunden“ hat. Er ließ ein Jesuskind als Wachsfigur herstellen, lieh sich Ochs und Esel bei Bauern aus, besorgte Stroh und stellte zwei Leute als Maria und Joseph dazu.

Auf dem Weihnachtsmarkt entkräftet Ingrid Neulen die heute oft gehörte Kritik: „So etwas gab es früher nicht. Das ist doch nur Rummel und Kommerz.“ Doch das stimmt nicht. „Früher war es der Jahrmarkt, der den Leuten Vergnügen bereiten sollte. Da wurden Geschäfte gemacht, es wurde gekauft und getauscht.“

Geschenke wurden dagegen früher nicht gemacht. Bis zum 16. Jahrhundert war es ein rein christliches Fest. Dann bekamen nur Kinder Geschenke. Ende des 17. Jahrhunderts tauschten auch Erwachsene Präsente untereinander aus. Besonders interessant: Ende des 19. Jahrhunderts war eine „Gebeverpflichtung“ in der Gesindeordnung festgeschrieben. Zu Weihnachten hatte der Dienstherr eine „Schenkpflicht“ an seine Untergebenen. Ingrid Neulen: „Eigentlich war das der Vorläufer des Weihnachtsgeldes.

Bei St. Peter und Paul berichtet die Stadtführerin über den Brauch, Krippen aufzustellen. Ursprünglich wurden sie im 16. Jahrhundert Kirchen in Süddeutschland aufgestellt. „Das gab oft abenteuerliche Mischungen: Bethlehems Stall mit Palmen und Alpenkulisse.“ Im 18. Jahrhundert zogen Krippen auch bei Bürgerfamilien ein. Die konnten sich das leisten — und nur sie hatten auch den Platz dafür. Später wurden die Krippen an die beengteren Wohnverhältnisse der einfachen Leute angepasst.

Übrigens sind Adventskalender keine Erfindung der Schokoladenindustrie. Die Ursprünge liegen im 17. Jahrhundert. Wer es sich leisten konnte, ließ sich 24 Heiligenbilder malen und hängte sie auf. Später kam der Strichkalender auf: Von den 24 Kreidestrichen durften die Kinder an jedem Tag einen wegwischen. Oder es wurde eine Krippe aufgestellt, in die jeden Tag ein kleines Bündel Stroh gelegt wurde.

Und wenn im Januar die Sternsinger unterwegs sind, dann lebt damit ein uralter Brauch weiter. Schon im Mittelalter sind arme Kinder von Haus zu Haus gezogen und haben gesungen, um ein Geschenk zu bekommen. Neulen: „Die Kirche hat dann diesen so genannten Heischebrauch verboten — und machte das Dreikönigssingen daraus, das 1958 wieder eingeführt wurde.“