Schon Rolls Royce setzte auf Qualität aus Mettmann

Giesserei: Kaum ein Autohersteller kommt ohne Gussteile aus der Kreisstadt aus. Die Auftragsbücher zeigen, dass Produzieren in Deutschland kein Auslaufmodell sein muss.

Mettmann. Für Gäste ist die Hitze schier unerträglich. Die Männer in den blauen Arbeitsanzügen und den schweren Handschuhen nehmen die Temperaturen wahrscheinlich nicht einmal mehr zur Kenntnis. Es ist laut, es ist heiß, überall glüht Eisen. Ein unaufmerksamer Augenblick kann über ein ganzes Berufsleben entscheiden. Deshalb liegt in der riesigen Halle nichts, wo es nicht hingehört, weiß jeder, wie er sich zu verhalten, wohin er zu gehen hat. Riesige Gabelstapler rollen hupend durch die Halle. Dennoch springt niemand verschreckt zur Seite.

Standort ME

Erfahrung macht gelassen, bei GF Georg Fischer Automotive in Mettmann sind Profis am Werk. Das muss so sein bei einem Automobilzulieferer, sonst fegt der Wettbewerb das Unternehmen vom Markt. Doch davon ist GF weit entfernt.

"Wir sind voll ausgelastet", sagt GF-Geschäftsführer Andreas Hecker. Der Gießerei-Ingenieur ist Chef über 1099 Mitabeiter. GF ist der größte Arbeitgeber in der Kreisstadt und einer der größten im Kreis. Das ist bemerkenswert, weil Gießereien üblicherweise sehr personalintensiv sind und die Lohnkosten produzierendes Gewerbe in Deutschland eigentlich eher vertreiben. Nicht so GF. Ganz im Gegenteil. Das Mettmanner Unternehmen wächst und gedeiht. Die Zahl der Beschäftigten ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Keine Spur von Abwanderungsgelüsten. "Das ginge auch gar nicht. Wir brauchen Ingenieure und gut ausgebildete Facharbeiter. Wir leben mitten in einer Hochschullandschaft. Das spricht für den Standort", sagt Hecker.

In der Halle richten sich fünf Augenpaare gebannt auf einen riesigen Kessel, der über eine Schiene an der Decke im Halbkreis bewegt werden kann. "Das ist der Konverter", erklärt Bodo Müller. Er ist Personalchef des Unternehmens und immer wieder fasziniert vom Produktionsprozess. "Im Konverter", erklärt er, "wird dem flüssigen Eisen Magnesium beigemischt. Dieses Verfahren ist 1970 hier in Mettmann entwickelt worden." Seither ist Guss geschmeidig, leichter und braucht die Konkurrenz von Aluminium und Stahl nicht mehr zu fürchten.

Der fast weiße Feuerschein hüllt den Konverter in ein gespenstisches Licht. Der riesige Kessel wird geschüttelt wie ein überdimensionaler Cocktailshaker. Und nach einigen Minuten ist der Rohstoff für die nächsten gusseisernen Fahrzeugteile fertig.

GF arbeitet für die großen Autokonzerne. Volkswagen, Opel, Ford, Mercedes stehen auf der Kundenliste. Selbst Rolls Royce setzte bereits auf die Qualitätsware aus Mettmann. Dass GF im Konzert der großen Zulieferer die erste Geige spielt, ist kein Zufall. Innovation, Qualität, Flexibilität sind Stichworte, mit denen Hecker das Geheimnis umschreibt. Wer bei GF arbeitet, soll sich entfalten, Ideen entwickeln, nach neuen Wegen zu noch besseren Produkten suchen.

Aus einer Ecke in der Halle sind regelmäßig Laute zu hören, die an leicht gedämpfte Schüsse erinnern. Eine Presse erzeugt aus schwarzem Sand die Formen, in die später das heiße Eisen-Magnesium-Gemisch fließen wird. Eine Kamera überwacht den Prozess. Immer wieder werden die Rohlinge fotografiert. Die kleinste Abweichung von der Norm kann schwerwiegende Folgen haben. Deshalb verlässt sich die Qualitätskontrolle nicht allein auf das menschliche Auge.

Ein Band transportiert die Formen durch die Halle. Mit jedem Produktionsschritt wird deutlicher, wie viel Finesse hinter Querlenkern, Pleuelstangen und Kurbellwellen steckt. Physik, Chemie und Bionik bestimmen heute, wie scheinbar klobige Fahrzeugteile auszusehen haben.

"Wir haben von den Verästelungen in Bäumen gelernt, wie wir Winkel in den Gussteilen verändern müssen, damit wir mit weniger Material 30 Prozent mehr Belastung möglich machen", erklärt Andreas Hecker. Moderne Computerprogramme hätten gezeigt, welche Stellen in den fertigen Gussteilen überflüssig sind. Seither haben die Pleuel von GF ein dreieckiges Loch. Das spart Gewicht, Material und damit Geld.

Im Lager stapeln sich Metallkästen. 200 000 Tonnen Gussteile verlassen das Mettmanner Werk Jahr für Jahr. Ware für VW, Ware für Opel, derzeit vor allem aber Ware für Lastwagenhersteller. Das Geschäft mit Scania und Co ist förmlich explodiert, seit in Osteuropa die Marktwirtschaft regiert. Und ein Ende des Booms ist noch nicht abzusehen, weil die Schiene im Osten keine Alternative zur Straße ist. "Die Zuwachsraten sind zweistellig" , sagt Hecker. Bei GF sind die Auftragsbücher voll.