Aktion: „Kein Tag bleibt ohne Gewalt“
Mobbing, Prügel, Raubüberfälle – am Wochenende erzählten Ratinger Jugendliche von der brutalen Seite ihres Alltags. Und lernten, wie sie vielleicht abzuwenden ist.
Ratingen. Bei dem Wort "Hurensohn" ist Schluss. Fällt so eine Beleidigung, rasten viele Jungen aus. Dann fangen sie an, aufeinander loszugehen und sich die Köpfe einzuschlagen. "Ist doch klar, dass man sich so etwas nicht gefallen lässt. Nicht nur ich werde beleidigt, sondern auch meine Mutter", erklärt Tim (Name geändert), warum er sich bei dem Wort provoziert fühlt. Er und neun andere Jungen besuchen am Samstag einen von insgesamt zehn Workshops zum Thema Gewalt am Haus am Turm der evangelischen Kirchengemeinde Ratingen. Organisiert wird der Anti-Gewalt-Tag von Mitarbeitern der Gemeinde, 193 Jugendliche sind der Einladung gefolgt.
"Gewalt ist zwar auch immer wieder ein Thema im Konfirmandenunterricht. Der Tag ist uns aber wichtig, weil Gewalt im Alltag von Jugendlichen eine große Rolle spielt", sagt Andrea Laumen, verantwortliche Sozialpädagogin für die Jugendarbeit der Kirchengemeinde.
Aus eigener Erfahrung und den Berichten aus der Arbeit mit den jungen Leuten weiß sie, was auf den Straßen und Schulhöfen los ist: Immer häufiger wird gemobbt, Geld erpresst oder werden Handys "abgezockt", Statussymbol für viele Jugendliche. "Was leider nicht heißt, dass körperliche Gewalt nachgelassen hat", sagt Laumen.
Ein Beweis dafür sind die Berichte von Tim und den anderen in der Jungengruppe. Da fallen Sätze, wie: "Ein Junge hat meinen Kopf auf den Betonboden geschlagen", "Mein Trommelfell ist bei einer Schlägerei geplatzt" oder "Ich habe einem Mädchen ein Bein gestellt, dann ist es hingefallen".
Jeremy Weczerek fasst es nüchtern zusammen: "Es vergeht eigentlich kein Tag ohne Gewalt. Deshalb finde ich es gut, dass es diesen Tag zum Thema gibt." Und Julian Dietrich sagt: "Irgendwie prügelt sich immer einer auf dem Schulhof."
Manche Jugendliche beschäftigen sich an dem Anti-Gewalt-Tag mit Orten in Ratingen, die bei ihnen Angst auslösen. Auf Plakaten haben sie Fotos von einem Abbruchhaus an der Friedhofstraße, dem Stadthallenparkhaus, dem Angerwald, dem Parkhaus am Rathaus und der Skateranlage an der Poststraße geklebt. Zu den Bildern haben sie Geschichten geschrieben. Geschichten über Überfälle, Prügeleien, Raubtaten und Morde. Darüber hinaus steht auf den Plakaten, wie die Jugendlichen die Situation an den Orten verbessern würden. Zum Beispiel sollte das Stadthallenparkhaus besser beleuchtet sein und ein Mann an der Pforte sitzen.
In einem Selbstbehauptungskurs haben die Teilnehmer Tipps und Tricks gelernt, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie alleine unterwegs sind oder wenn sie provoziert werden. Andere malten in der Stadtkirche auf einer Riesenleinwand ein Bild zum Thema Gewalt oder analysierten Gewaltszenen in Filmen.
Zum Ende gabs für die Jugendlichen bei aller Ernsthaftigkeit des Themas einen humorvollen Auftritt des Ensembles von "Kick Off". Die Schauspieler präsentierten Sketche über Rassismus, Abhängigkeiten und Missverständnisse, die zu Gewalt führen können - das Ganze mit jeder Menge Witz und in deftiger, jugendlicher Sprache.