Arbeitskampf von 1992: Streikende blockieren Rathaus
Beim Arbeitskampf 1992 standen im öffentlichen Dienst buchstäblich alle Räder still — auch in Wülfrath.
Wülfrath. Es ist eigentlich ein ganz normaler Tag: Sie stehen mit den Hühnern auf und nippen an ihrer Kaffeetasse. Irgendwann geht’s zur Haltestelle, um mit dem Bus zur Arbeit zu fahren. Dort warten bereits ungewöhnlich viele andere Menschen. Es tut sich nichts. Irgendwann spricht es sich herum, dass der öffentliche Nahverkehr bestreikt wird.
„Na gut, dann nehme ich eben ein Taxi“, entscheidet ein Leidensgenosse. Man tut sich zusammen. Am Rathaus wieder ein seltsames Bild: Der Eingang ist mit Tischen und Stühlen zugestellt. Vor der Tür stehen zwei Männer, die jeden daran hindern, das Gebäude zu betreten. Auf dem Weg zum Taxistand liegen Müllsäcke herum — überall in der Innenstadt stapelt sich der Müll. Die ganze Stadtverwaltung ist außer Dienst.
Am 27. April 1992 fiel der Startschuss für eine Streikwelle, die für ungewohnt chaotische Zustände auch in Wülfrath sorgte. Es begann im Sozialamt und im Jugendamt. Einen Tag später arbeiteten im Rathaus nur noch eine Handvoll Beamte. Betreten durfte man das Gebäude nur noch durch den Nebeneingang, was aber nicht viel Sinn hatte, weil kaum jemand da war, um sich um die Anliegen der Bürger zu kümmern.
Durch die Arbeitsniederlegung beim städtischen Fuhrpark blieb die Straßenkehrmaschine im Depot. Der Müll wurde eine Woche lang nicht abgeholt, weil die Müllverbrennungsanlage in Wuppertal bestreikt wurde. „Ich möchte die Wülfrather bitten, in dieser besonderen Situation Müll so weit als möglich zu vermeiden“, wandte sich der damalige Vorsitzende des Umweltausschusses Hans-Jürgen Ulbrich in einem Appell an die Bürger.
Erstmals in ihrer langen Geschichte wurde auch die Post in der Wilhelmstraße bestreikt. Dort mussten die wenigen Beamten die Briefzustellung übernehmen, was dazu führte, dass in etlichen Stadtteilen die Hausbriefkästen leer blieben. Ein im Rathaus geplantes Konzert musste ausfallen. Zwar stand schon der Flügel im Foyer, aber dann war niemand mehr da, der die Vorbereitungen übernehmen konnte.
Obwohl auch in der Poststelle nichts mehr ging, machte die Stadtverwaltung für eine Wülfrather Schule eine Ausnahme. Dort hatte die Blaue-Briefe-Konferenz stattgefunden und die Schulsekretärin brauchte Briefmarken für den Versand.