Blogger begeistert die Menschen fürs „Kaff“

Norbert Molitor hat mit seinem ersten Buch eine schräge Liebeserklärung an Neviges geschaffen. Ungeschönt und mit viel Ironie.

Foto: Anna Schwartz

Neviges. Nobert Molitors literarisches Erstlinkswerk „Im Kaff der guten Hoffnung“ ist eine Liebeserklärung an Neviges. Doch Vorsicht: Molitor und Neviges, das ist kein Verliebtsein mit rosa-roter Brille, das ist eher das fünfzehnte Jahr Ehe und die ungeschminkte Wahrheit. So stellt er dem Leser das „Kaff“ erst einmal über eine Liste der Sachen vor, die es nicht gibt: Kino, Theater, Oper, Bars, Jobs. . . Die Liste ist lang. Aber: „Wer damit klarkommt, ist gut aufgehoben. Und lebt billiger. Es gibt nix. Und was nicht da ist, kann nix kosten.“

Die ironische Blickweise des 69-Jährigen auf das alltägliche Treiben zwischen Kaufhaus Gassmann, Brunnenbaustelle und dem „Nevigeser Gurkenkönig“ Mesut ist schon weit über die Grenzen des Domstädtchens bekannt. Grund ist sein Blog „42553 Neviges“, der ihm 2014 den Grimme Online Award bescherte und der auch gerne in Berlin, München oder Prag gelesen wird. Der Erfolg wird von Minimalismus getragen: schwarz-weiße Fotos, kurze, prägnante Texte — fertig. „Der Blog sollte ganz einfach sein, keine Filmchen, kein Flicker-Flacker. Daran will ich auch nichts ändern“, sagt der Autor, der seit 1990 in Neviges lebt. Auch der Entstehungsprozess ist sehr unverfälscht. Molitor berichtet: „Ich gehe nie bewusst raus, um irgendetwas zu fotografieren.“ Der Blogger braucht nicht extra zu suchen, er findet im Alltag genug Kleinstadtästhetik: gestapelte Plastikstühle, lange Männerunterhosen auf dem Markt, unbepflanzte Betonpötte in der Fußgängerzone.

Die Neviges-Geschichten kommen tagtäglich ganz von selbst zu Norbert Molitor. So war das auch mit dem 208-seitigen Buch, das am 1. März erscheint. „Ich habe ungefähr 208 Tage gebraucht. Jeden Tag eine Seite.“ Ein Konzept habe er sich nicht zurechtgelegt, er habe das Buch chronologisch heruntergeschrieben und am Ende nichts mehr neu zusammengesetzt. Das Ergebnis ist eine sehr unterhaltsame Beleuchtung der Provinz und ihrer Menschen, mit allen Macken und Skurrilitäten.

Für das Buch hat er mit vielen Nevigesern gesprochen. „Manchmal fange ich im Café mit jemandem ein Gespräch an und der erzählt mir seine Lebensgeschichte“, sagt der Messebauer und iPad-Zeichner. So traf er etwa die Frau, die einmal aus Liebeskummer elf Hähnchen verschlungen hat, und den Maler, den die Wilhelmstraße an San Francisco erinnert hat und sofort wusste: „Hier bleibe ich!“

Molitor ist sehr gespannt, wie das Werk ankommt. Förderlich dürfte sein, dass er bereits eine Art Neviges-Fangemeinde im Rücken hat. Denn Neviges ist aufgrund des Blogs, den der Schreiber seit 2008 mit Leben füllt, zum Kult geworden. Norbert Molitor berichtet: „Mich hat eine Frau bei Facebook kontaktiert, die unbedingt Silvester in Neviges feiern wollte.“ Er lächelt. „Die habe ich angerufen und gesagt: ,Auf die Idee ist noch niemand gekommen.’“

Am Ende bekam sie von Molitor eine 30-minütige Nevigesführung. Sie war begeistert. Ebenso die Gruppe vietnamesischer Jugendlicher, die unbedingt mal „in ein Kaff wollten, wo nix los ist“ und über den Blog auf Neviges stießen.

Dass Molitor durch seine manchmal ruppige Beschreibung seines „Kaffs“ als Neviges-Hasser missverstanden werden könnte, ist ihm egal. Er winkt ab: „Wer den Sinn und Zweck nicht versteht, dem kann ich auch nicht helfen.“