Der Märchenpapst mit der Mandoline

Ein musikalischer Reiseführer durch Irland: Klaus Grabenhorst gastierte in Schlupkothen.

Der Märchenpapst mit der Mandoline
Foto: Achim Blazy

Wülfrath. Zuvor bin ich noch niemals in Irland gewesen. Da lockte Klaus Grabenhorst mit dem Versprechen in die Kulturkathedrale, einen Abendausflug auf die Teddy-Insel zu organisieren. Rund 60 Neugierige ließen sich auf diese Gedankenreise ein. Den obligatorischen Regenschirm eines Gruppenleiters hatte er in Düsseldorf gelassen. Mitgebracht waren allerlei nützliche Utensilien; etwa eine Tischdecke aus bronzenem Pannesamt und einen fünfarmigen Kandelaber. Wollte dieser Niemalsscheue nun gar Zaubertricks vorführen?

Weit gefehlt, denn die Verblüffungen seiner Schau wurden ganz handfester Art, so wie es dem Nationalcharakter der Iren entspricht. Zur Einstimmung spielte er auf der Mandoline eine keltische Weise, welche die großen Leidenschaften des Tanztriebs und der Melancholie vereinte. Den gesprochenen Einstieg fand er mit einer Wandergeschichte, die zwischen den legendären Orten Limerick und Kerry passierte.

Sodann berichtete der Märchenpapst von einer Episode aus seiner Jugend, an der wohl auch ein Funken Wahrheit glimmte. Als Achtjähriger machte er am Bodensee die Bekanntschaft mit seinen ersten Iren Jimmy und May. Die beiden besuchte er knapp zehn Jahre später in deren irischen Heimatort Waxford. Anrührend führte Grabenhorst wie zum Beweis sein allererstes dort selbstgeschriebenes Lied ins Feld. Die Melodie atmet ganz den ungeniert beschreibenden Geist von Franz Josef Degenhardt. Ganz klar, dass auch Heinrich Bölls „Irisches Tagesbuch” nicht unzitiert bleiben durfte und zum späteren Weiterlesen zu Hause Appetit machte.

Einige gutgehütete Geheimtipps gab Reiseführer Grabenhorst preis. So stellte er den Klagesong „Only Our Rivers Run Free” des Nordiren Mickey MacConnell aus dem Jahr 1973 vor, der die politische Alltagsbrisanz zwischen den beiden Irlanden offenbart. Auch die Ballade „Cliffs of Dooneen” von Jack McAuliffe ist wenig erhört; die darin beschriebenen Auswanderer jedoch Legion.

Im Kontrast dazu brachte er klischeehaftes Liedgut, nämlich „Dirty Old Town” von Ewan MacColl aus dem Jahr 1949, für das er zum Nachhören die Version von Rod Stewart empfahl, sowie das Volkslied „The Wild Rover”. An dieser Stelle muss die kleine Kritik erlaubt sein, dass zu diesem Hit die Hörerschaft bloß viermal statt der vom Interpreten geforderten fünf Male klatschen sollte. Doch diese Klassiker mussten einfach sein, denn sonst wäre das Bild vom Kleeblattland unvollständig geblieben.

Wetterkapriolen seien dort ebenfalls typisch, so der Witterungsfühlige, jedoch nicht in der Form von Extremen, vielmehr durch immer währende Regenmilde. Eindrucksvoll gelang dem schnarrenden Erzähler die Heranführung an den Romanmythos „Ulysses” von James Joyce. Das Publikum durfte einen vorgezogenen Bloomsday zelebrieren, indem der Rezitator sowohl von der erste als auch von der letzte Seite vorlas. Als Grabenhorst anhob „einer typisch irische Literaturform zu huldigen” vermutete man dahinter einen schelmischen Limerick.

Doch was Grabenhorst meinte, war vielmehr die Kunst der Kurzgeschichte, die er am Beispiel einer Minimär um den von katholischen Iren hochgeehrten fliegenden Heiligen Josef von Copertino von Frank O’Connor darbrachte. Zum Schluss konnte der Zeuge dieses Schauspiels zugeben, wieder etwas gelernt zu haben und stolz bekunden, endlich einmal in Irland gewesen zu sein — Schlupkothener Sprühregen inklusive.