Dreiste Familie zockt Nevigeser ab
Beim Lebendigen Adventskalender sammelte das Publikum für ein gestrandetes Ehepaar mit Kindern Geld — offenbar ein Betrugsfall.
Neviges. Es sollte eine Demonstration der Nächstenliebe werden, entpuppte sich aber als herbe Enttäuschung: Das Publikum des Lebendigen Adventskalenders in Neviges ist offenbar einer betrügerischen Familie auf den Leim gegangen. Die Unbekannten setzten ihre Kinder ein, um Mitleid zu erzeugen und gutgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
„Das ist schon bitter“, sagt die Betroffene Dietgard Reith von der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Neviges, die inzwischen Anzeige erstattet hat. „Ich finde es besonders schlimm, dass sie ihre Kinder — etwa ein und zweieinhalb Jahre — auch noch dazu eingesetzt haben“, sagt sie.
So hat Dietgard Reith den Vorfall am vergangenen Sonntag vor dem Restaurant Platon erlebt: Wie an jedem Abend im Advent wird wieder ein Geschäftstörchen im Rahmen der Aktion „Lebendiger Adventskalender“ geöffnet: Musik, heißer Kakao, Beisammensein. Plötzlich gesellt sich eine junge Familie mit zwei Kindern dazu und der Vater fragt: „Gibt es hier irgendwo eine Bahnhofsmission oder eine andere diakonische Einrichtung?“ Die Familie habe ihr Portemonnaie verloren und könne deshalb nicht mehr nach Geldern zurückfahren.
Reith gibt zu: „Ja, da hätten Alarmglocken klingeln können, das sagte uns hinterher auch die Polizei. Aber die Menschen wirkten so vertrauenswürdig und hatten ein gepflegtes Auftreten.“ Die Masche funktioniert: Die Nevigeser zücken ihre Brieftaschen und sammeln gemeinsam fast 50 Euro. Zudem werden die Gestrandeten noch mit Keksen, Kakao, Mandarinen und Christstollen versorgt. Der Wirt des Restaurants ist sogar noch so nett und bereitet eine Pizza zu. Dietgard Reith war am Ende so gerührt von der Hilfsbereitschaft, dass sie die Geschichte unter dem Titel „Nächstenliebe — spontan und praktisch umgesetzt“ an die Presse schickte.
Das böse Erwachen kam leider schnell. „Eine Freundin aus Langenberg rief mich an und sagte mir, dass wir betrogen wurden“, berichtet das Gemeindemitglied. Schnell wurde klar: Der selbe Mann soll in Begleitung eines der Kinder am 23. November in Langenberg auf offener Straße die gleiche Geschichte erzählt haben: Bahnhofsmission, Geld weg, Zugfahrt nach Geldern. Auch die Langenbergerin half finanziell aus. Mittlerweile hat Reith in Erfahrung gebracht, dass die Betrüger offenbar auch schon in Velbert-Mitte mit der Nummer unterwegs waren.
Regine Höller vom Berufskolleg Bleibergquelle ist ebenfalls auf die Familie reingefallen. „Ich bin richtig verärgert“, sagt sie. Das nächste Mal werde sie sich zwei Mal überlegen, ob sie etwas gibt. Dietgard Reith denkt ähnlich. Dabei gehe es ihr nicht um den Verlust des Geldes, sondern um das Ausnutzen des Vertrauens. Reith: „Es bleibt einfach ein mieses Gefühl.“
Betrüger, die eine Notlage vortäuschen — diese Fälle häufen sich derzeit bei der Kreispolizei. Allerdings, so ein Polizeisprecher, sei eine andere Geschichte beliebter: „Da sprechen Betrüger vor allem ältere Leute an und sagen, dass sie schnell Geld für den Schlüsseldienst benötigen.“Leider habe auch das funktioniert.