Ein Luftschutzbunker für alle Fälle
Der Nevigeser Hans Niggemeier hat den Weltkriegsbau an der Wilhelmstraße gekauft. Er will ihn lassen, wie er ist und zur Not nutzen.
Neviges. Die Tür des Luftschutzbunkers hakt ein wenig, als Hans Niggemeier sie aufschließt. Doch nach einem kräftigen Ruck gibt sie nach. Hineinspaziert — hier ist die Zeit stehengeblieben. „Beängstigend war das, als ich das Gebäude das erste Mal betreten habe“, sagt der Nevigeser Unternehmer. Vor dem inneren Auge habe er die Menschen gesehen, die im Zweiten Weltkrieg in den beengten, fensterlosen Räumen ausgeharrt haben, während draußen die Bomben auf Neviges fielen.
Heute ist der Bunker an der Wilhelmstraße für die meisten Nevigeser nur noch ein maroder Betonklotz, der das Stadtbild stört. Für Hans Niggemeier bedeutet der Bau mehr. Nicht umsonst hat er sich im Februar 2014 einen Herzenswunsch erfüllt und die ungewöhnliche Immobile gekauft.
Der 61-Jährige möchte sie allerdings nicht entwickeln, für ihn ist der Bunker so eine Art Liebhaber-Objekt. „Das ist meiner und ich bin froh, dass ich ihn habe“, sagt Niggemeier. Und: „Ich habe ihn auch wegen meines Sicherheitsbedürfnisses gekauft.“ Es beruhige ihn, zu wissen, dass er — im Fall der Fälle — mit seiner Familie in einen Luftschutzbunker flüchten könnte. „Cool“ fanden den Kauf seine zwei Töchter, Niggemeiers Lebensgefährtin kommentierte: „Du hast ’nen Knall.“
Der Nevigeser wirkt zufrieden, wie er so durch die gewundenen Gänge des Hochbunkers geht. Hinter den 1,40 Meter dicken Wänden ist es kalt. Wasser hat längst das Mauerwerk zerfressen. Auf dem Boden liegen zurückgelassene Gegenstände: ein Schnipsel einer alten Zeitung, ein roter Boccia-Ball, eine fremd wirkende Keksverpackung.
Die Original-Bunkertüren sind begehrt. Ein Museum hat bereits bei dem Geschäftsmann angefragt, ob er sie abgeben würde. Niggemeier schüttelt den Kopf: „Hier bleibt alles so wie es ist.“ Schon als junger Mann ging Niggemeier täglich an dem Gebäude vorbei und wurde irgendwie davon angezogen. Damals war noch der Bund Besitzer. Bis 2010, da witterte der selbstständige Elektroanlagenbauer seine große Chance: Der Bunker kam bei einer Auktion in Köln unter den Hammer. Doch leider schnappte ihm ein Investor das heiß begehrte Objekt vor der Nase weg. Für 37 000 Euro, mehr als Niggemeier ausgeben wollte. Doch umgebaut wurde das 306 Quadratmeter große Gebäude nie und nach drei Jahren klingelte das Telefon in Neviges. Der Höchstbieter zeigte sich verkaufsbereit.
Der 61-Jährige schaut auf die aufgeplatzte Fassade mit den aufgemalten Zoo-Tieren, die langsam verblassen. „Irgendwas muss hier gemacht werden“, sagt er. Im kommenden Jahr möchte er zumindest diesen Teil des Bunkers sanieren. „Vielleicht lasse ich das Stadtwappen aufmalen“, sagt er. Zudem könne er sich gut eine Plakette mit einem erklärenden Text vorstellen. „Manche wissen ja gar nicht mehr, dass das ein Bunker ist“, sagt er. Das soll aber jeder wissen. Und irgendwie gefällt Niggemeier auch die Vorstellung, dass nur einer den Schlüssel zu diesem mysteriösen Wunder-Kasten hat: er.