Familienfest mit Kardinal

Schon um 9 Uhr war es Sonntag im und rund um den Dom proppenvoll. Die traditionelle Wallfahrt der Schlesier lockt jedes Jahr mehr Gläubige an.

Neviges. Der Gesang will nicht enden. Inbrünstig erklingt noch immer das Lied „Über die Berge schallt lieblich durch Flur und Wald“. Nach anderthalb Stunden Festmesse sind die mehr als 2000 Besucher aus ganz Nordrhein-Westfalen fast enttäuscht, dass der Gottesdienst zur Mutter-Anna-Wallfahrt schon beendet ist. Auch Joachim Kardinal Meisner sagt in der Sakristei zu Konzelebranten und Ministranten: „Schade, die Messe ist schon vorüber.“

Für den Erzbischof, selbst gebürtiger Schlesier, beginnt jetzt der zweite Teil der traditionellen Wallfahrt der Schlesier: Das Bad in der Menge. Der Würdenträger aus Köln ist gerade von einem Ferienaufenthalt in der Nähe von Altötting zurückgekehrt und bestens erholt.

Damian Spielvogel, der die St. Anna-Wallfahrt seit 1995 organisiert, begleitet den Würdenträger, der mit dem roten Pileolus, dem Scheitelkäppchen, in der Menge stets gut auszumachen ist. „Ich brauche heute nichts zu essen“, verkündet der Kardinal. Es macht nichts, wenn ich mal eine Mahlzeit ausfallen lasse.“ Doch der Vorsatz ist bald vergessen. Von allen Seiten wird Meisner bestürmt, die Krakauer oder ein Bier zu verkosten (letzteres schlägt er übrigens aus).

Doch viel Zeit und Muße, die schlesische Wurstspezialität zu probieren, bleibt dem Würdenträger nicht. Schnell ist die Bank neben ihm besetzt. Handykameras sind auf den Kardinal gerichtet. Und auch Oliver Boss, Domvikar und Geheimsekretär, ist ein begehrtes Fotomotiv. „Den kennen wir auch ganz gut“, sagt eine Besucherin aus Ratingen.

Die oberschlesischen Bergmänner bringen ein Ständchen: „In Schlesien, da liegt meine Heimat“, singen sie und der Kardinal revanchiert sich mit dem Lied „Hat Spaß gemacht“ und applaudiert. Kurz darauf bewundert der Gast aus Köln die Trachtengruppen. Die Wülfrather Schauspielerin Dorothea Wald hat die Tracht aus dem Riesengebirge angelegt. Ece (9) von der Tanzgruppe „Schöne grüne Linde“ tanzt mit der fünfjährigen Katharina. Vater Frank Grüne hat das Töchterchen schon im Babyalter mit zur Schlesier-Wallfahrt genommen.

„Neviges ist für mich immer etwas Besonderes, man ist hier der Gottesmutter nahe“, sagt der Kardinal. Er reist später gleich zum anderen Marienwallfahrtsort nach Kevelaer weiter. Die beiden könne man aber nicht miteinander vergleichen. Nur eines hätten sie gemeinsam: Die Gnadenbilder wären ähnlich klein. Doch, so sagt der Erzbischof, in Neviges werde das Bild der Gottesmutter in der Mariensäule besonders schön präsentiert.

Die Gläubigen erleben nach der Kirmes noch die Marienandacht. „Der Tag bleibt unvergessen“, sagt Renate Schwarz aus Solingen. „Der Kardinal hat gut gepredigt. Anna, die Mutter von Maria, hält nicht nur ihr Kind in den Armen, sondern jeden Christen. Diese Worte haben mich berührt.“ 2013 will sie wieder nach Neviges kommen.