„Ich will neugierig bleiben“
Kantor Thomas Gerhold experimentiert gerne — mit Musik und auf der Bühne.
Wülfrath. Mehr als nur ein Kirchenmusiker — das ist Thomas Gerhold. Der 48-Jährige ist ein wichtiger Bestandteil im Wülfrather Kulturbetrieb. Und das seit nunmehr 20 Jahren. Sein Kantor-Jubiläum bei der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde feiert er mit einem großen Konzert in der Stadtkirche. Darin will er eine Art „Best of . . .“ der Konzerte der vergangenen zwei Dekaden geben.
Interview
Herr Gerhold, erinnern Sie sich noch, wie viele Mitglieder der Kirchenchor — die heutige Kantorei — hatte, als sie ihn vor zwei Jahrzehnten übernommen hatten?
Thomas Gerhold (lacht): Oh, ja. Sechs Frauen und ein Mann.
Heute sind es 100 Frauen und Männer. Im Rückblick: Überrascht Sie diese Entwicklung oder macht sie Ihnen vielleicht sogar ein bisschen Angst?
Gerhold: Angst auf keinen Fall. Stolz macht mich das. Mit diesem Aufschwung konnte man wirklich nicht rechnen.
Haben Sie Gründe für diesen Erfolg?
Gerhold: Da gibt es sicherlich einige. Man muss aber auch sagen, dass es ein Prozess war. Dieser Anstieg kam nicht von heute auf morgen. Ich denke, dass viele die Konzert- und Projektinhalte ansprechend fanden. Dadurch wurden die Wülfrather auf die Kantorei aufmerksam. Und die Regelmäßigkeit war wichtig. Ich habe ja gleich die Adventskammer zum HWM gestartet. Das war die Basis für alles.
Sie haben sich aber auch als Grenzgänger profiliert — zum Beispiel mit den Bühnenprojekten.
Gerhold: Das stimmt. Das war im Jahr 2000 und dann alle zwei Jahre, solange es die Stadthalle noch gab. Da habe ich „Momo“ auf die Bühne gebracht. Das war schon toll. Eigene Musik, eigene Regieideen — und das mit heimischen Akteuren als Schauspieler.
Was hat für Sie als Kirchenmusiker den Reiz solcher Projekte ausgemacht?
Gerhold: Mit fremden Musikern eine Idee zu entwickeln, das war einfach eine spannende Sache. Oder Leute auf die Bühne zu bringen, mit denen im Publikum niemand rechnete. Ich habe ja ganz bewusst nach Darstellern gesucht, die zu den Rollen passten — und eben nicht nur in der Kirchengemeinde. Die Öffnung hat auch dazu beigetragen, dass die Zahl der Mitglieder in der Kantorei angewachsen ist. Ja, die Kantorei hat auch von den Projekten profitiert.
Aber es gibt ja nicht nur die Kantorei.
Gerhold: Stimmt. Ich leite in der Gemeinde auch zwei Kinderchöre und einen Jugendchor. Wobei das mit den Jugendlichen gar nicht mehr so einfach ist. Durch den Nachmittagsunterricht sind die Schüler immer mehr eingespannt.
Theaterprojekte hat es nun schon länger nicht mehr gegeben. Experimentieren Sie heute weniger?
Gerhold: Es gibt Dinge auf der Bühne, die Raum und Platz brauchen. Wülfrath hat so eine Bühne nicht mehr. Ich experimentiere auf anderen Ebenen.
Zum Beispiel?
Gerhold: Zum Beispiel im Gottesdienst. Ich habe mal die Kirche zum Percussion-Instrument gemacht, mit den Trommelstöcken Töne aus Bänken, Säulen und Wänden geholt. Das geht alles.
Was erwartet die Besucher des Jubiläumskonzerts?
Gerhold: Die Vielfalt aus den 20 Jahren soll zu erleben sein. Wie das Stück „Mass“, wo Klassik und Jazz zusammenkommen. Anke Kuchem und Judith Gerhold werden aus der Kantorei heraus den „Abendsegen“ aus „Hänsel und Gretel“ solistisch singen. Es wird ganz vielseitig.
Haben Sie schon neue Pläne für weitere Projekte?
Gerhold: Pläne habe ich immer. Das ist mein Antrieb. Ich will immer neugierig bleiben. Mich interessiert so viel in der Musik. Ich finde in jeder Sparte etwas Schönes. Ich will auch nicht ausschließen, dass es noch mal ein Theaterprojekt gibt. Dann aber im kleineren Rahmen.