In diesen Broten steckt die Ruhe
Luis Enrique Rosales und sein Team fertigen in der Talbäckerei täglich 500 Laibe von Hand.
Neviges. In der Talbäckerei riecht es köstlich. Der Duft mehrerer Brotsorten hat sich zu einem wohligen Ensemble verbunden. Überraschenderweise ist mitten am Tag Hochbetrieb in dem kleinen Reich von Bäckermeister Luis Enrique Rosales.
Fangen Bäcker nicht eigentlich in der Nacht an? „Ja, früher war das so“, lacht der 51-Jährige aus Honduras. „Aber wir haben gemerkt, dass uns das nicht gut tut.“ Damals habe Rosales schon allein durch das Klingeln seines Weckers schlechte Laune bekommen. Heute wird in der kleinen Bäckerei am Örkhof im Windrather Tal eben von 14 bis 23 Uhr gewerkelt, weil es sich besser anfühlt. Natürlicher. Und das ist schließlich ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts.
Seit 35 Jahren wird in der Talbäckerei von Hand und ohne künstliche Zusatzstoffe gebacken, seit 20 Jahren unter der Regie von Luis Enrique Rosales. „Wir fertigen hier täglich rund 500 Bio-Brote von Hand“, sagt der Meister, der Chef eines dreiköpfigen Teams ist. Auffällig: Auch wenn es in der kleinen Stube geschäftig zugeht, entsteht keine Hektik. Rosales legt Wert auf eine ruhige Arbeitsatmosphäre. Fast so, als könnte sich ein kleiner Funken dieser Ruhe auf die Brote übertragen. „Wir backen langsamer als herkömmliche Bäckereien und geben dem Teig Zeit“, erklärt Rosales. So dauere es 30 Stunden, um in drei Arbeitsschritten ein Roggenbrot zu backen — und dabei ist das Mahlen des Getreides noch gar nicht eingerechnet.
Auch das macht Rosales selbst. „Es gibt hier ganz kurze Wege“, sagt der Bäcker. Damit meint er ein paar Schritte. Zum Beweis geht er kurz über den Hof und steht bereits vor dem Raum mit den Mühlen. Die Talbäckerei verfügt über jeweils eine für Weizen, Roggen und Dinkel. Um der regionalen Verbundenheit die Krone aufzusetzen deutet Rosales auf die Hammermühle, die vom Hersteller Ley aus Wülfrath kommt. Dieses gute Stück hat mit seinen 15 Pferdestärken die meiste Power und klingt eingeschaltet wie ein startender Düsenjet.
Nebenan reinigt Rosales das Getreide, das frisch von den Bio-Höfen des Windrather Tals angeliefert wird. In einer riesigen Anlage wird die Ernte erst getrocknet und dann gesiebt. So lösen sich etwa kleine Steinchen aus den Ähren, die in der Mühle nichts zu suchen haben.
Rosales führt all dies mit großem Stolz vor. Er weiß, welchen Wert seine Handarbeit hat. Viele seiner Kollegen erlagen in den vergangenen Jahrzehnten dem Druck der Industrialisierung — oder blieben auf der Strecke, weil sie sich weigerten. „Wir haben das Glück, dass wir hier im Windrather Tal eine Nische haben. Aber die konventionellen Bäcker, die so arbeiten wie wir, gehen alle kaputt“, sagt Rosales.
Weil diese ursprüngliche Handwerkskunst so selten geworden ist, kommen die willigen Schüler von weit her. „Wir hatten schon Leute aus China, Argentinien, Afrika und Japan, die ein Praktikum bei uns gemacht haben“, berichtet der Honduraner. Er selbst erinnert sich, wie toll er es fand, das erste Mal in ein deutsches Brot zu beißen. Solches Backwerk habe es in seiner Heimat nicht gegeben. Rosales schwärmt: „Das deutsche Brot ist ein Weltkulturerbe. Wir müssen diese Handwerkskunst erhalten.“