Rainer Hartmann: Dass Interesse durch einen Investor bestehe, haben wir Anfang Juni selbst durch die Presse erfahren. Erst am 15. Juni wurden wir diesbezüglich von einem Beauftragten des Investors kontaktiert, der den Wunsch nach einem Gespräch äußerte. Dieses fand am 22. Juni ohne den Investor statt, fünf Tage später lagen diesem bereits die gewünschten Daten vor. Bis heute ist uns weder bekannt, um welchen Investor es sich konkret handelt, noch ein bewertbares Gesamtkonzept. Diesen wollte der Beauftragte trotz mehrfacher Nachfrage nicht nennen.
Wülfrath Standort Steering Systems nicht zu retten
Herr Hartmann, die IG Metall hat von einem Investor berichtet, der angeblich Interesse an dem Standort Wülfrath hat. Hat es tatsächlich Gespräche gegeben?
Ist ein solches Geschäftsverhalten bei Investoren üblich?
Hartmann: Nein, sicherlich nicht. Auch unsere Fragen wurden nicht beantwortet. Hat der Investor die Mittel, den Standort zu übernehmen und welches Konzept liegt vor? Ist die Kompetenz dafür vorhanden? Auch im Interesse unserer Mitarbeiter müssen wir wissen, wie solide und zukunftsfähig ein Konzept ist. Schließlich geht es unter Umständen um die Abfindung unserer Mitarbeiter.
Was ist bei den Gesprächen herausgekommen?
Hartmann: Nichts. Es gab zwar noch einzelne Nachfragen, die wir umgehend beantwortet haben, aber anschließend haben wir über Wochen keine Rückmeldung auf unsere Fragen erhalten. Eigentlich war die Übernahme zum 1. August dieses Jahres vom Investor vorgesehen.
Haben diese Gespräche ihren Schließungsplan beeinflusst?
Hartmann: Nein. Wir haben den Sozialplan mit den Arbeitnehmervertretern im Dezember 2019 unterschrieben – der gilt. Zur Abwicklung des Standortes müssen wir uns an einen strikten Zeitplan halten, Produktionsanlagen müssen verkauft und Verträge abgewickelt werden. Im Oktober wird der letzte Auftrag eines Schlüsselkunden enden, danach ist auch die Produktion beendet. Wir planen, das Gebäude im Dezember besenrein zu übergeben.
Sie haben im März vergangenen Jahres die Geschäftsleitung übernommen. Wussten Sie zu diesem Zeitpunkt, dass der Standort abgewickelt werden soll?
Hartmann: Nein. Das entsprach nicht meiner Planung und das stand auch damals noch nicht fest. Aber nach der Entscheidung habe ich mich für eine sozialverträgliche Schließung des Standortes eingesetzt und habe mich dann letztlich dem Projekt der Schließung angenommen.
Wie konnte es aus Ihrer Sicht nach der Übernahme im Jahr 2016 von dem Unternehmen tedrive zu dieser Kehrtwende kommen? Was ist falsch gelaufen und welche Fehler wurden gemacht?
Hartmann: Die Firma tedrive hatte nicht die Innovationspower, um am Markt mitzuhalten. 2016 lautete die Strategie von Knorr-Bremse, den Wülfrather Standort in Bezug auf Nutzfahrzeug-Lenkgetriebe und sogenannte Überlagerungslenkungen weiterzuentwickeln. Diese sind wesentliche Bestandteile für ein automatisiertes Fahren. Es konnten aber weder Zielkosten- noch Zeitplan für die Produktion und Entwicklung eingehalten werden, um am Markt zu bestehen. Zudem sind die Preise durch den Wettbewerb gesunken. Ende 2018 hatte Knorr-Bremse die Chance, die Einheit von Hitachi für Nutzfahrzeuglenkungen zu übernehmen. Sie hatten bereits 500 000 dieser Lenkungen auf dem Markt und ein fertiges System für die Überlagerungslenkung. Dieser Vorsprung war nicht mehr aufzuholen.
Wie viele Mitarbeiter sind noch bis Ende Oktober bei Steering Systems beschäftigt?
Hartmann: 86 Mitarbeiter sind aktuell noch an diesem Standort beschäftigt, im Dezember 2019 waren es 274 Mitarbeiter. 50 Ingenieure sind zum Standort Düsseldorf gewechselt. Für die anderen Mitarbeiter wurde ein Sozialplan und Interessenausgleich verhandelt.
Für den Standort Wülfrath gibt es angeblich einen längerfristigen Mietvertrag. Wie gehen Sie damit um?
Hartmann: Das Mietverhältnis besteht bis 2024. Natürlich haben wir den Wunsch, dass zeitnah ein Nachmieter oder ein Käufer gefunden wird. Wir stehen in enger Zusammenarbeit mit der Wülfrather Stadtverwaltung und dem Eigentümer. Auch ein Makler aus Düsseldorf wurde bereits mit diesem Projekt beauftragt. Aus meiner Sicht würde sich wieder produzierendes Gewerbe oder Logistik an diesem Standort eignen. Auch ein Maker-Space für Start-up-Unternehmen ist im Gespräch.
Wie geht es für Sie persönlich weiter?
Hartmann: Ich kümmere mich bis zum letzten Tag um den Standort. Das weitere steht noch nicht fest.