Künstler Peter Hohberger öffnet sein Atelier

Er befasst sich mit der Antike, Porträts und formt Figuren nach lebenden Modellen.

Foto: Schümmelfeder

Wülfrath. Es war nur ein kurzer Moment. Ein Augenblicksgefühl, eingefangen an einem Strand in Griechenland. Eine Frau steigt aus dem Meer, die Haare vom Wind verweht. Es ist eine unschuldige Erotik, von der Peter Hohberger erzählt. Nicht die eines Mannes, der in Gedanken alle Grenzen niederreißt. Sondern die des Künstlers, den vor allem eines umtreibt: Wie kann ein solcher Moment, in der Erinnerung verewigt, in eine Skulptur hineinfließen?

Die Antwort auf eine solche Frage ist immer auch ein zähes Ringen. Wo fängt etwas an? Wo hört es auf? Wie verlaufen die Linien? „Während der Arbeit spielt die Erotik keine Rolle. Am Ende kehrt sie jedoch abermals für einen kurzen Moment zurück“, spricht der Bildhauer über die Entstehung eines Werkes, das ihn immer wieder zutiefst fesselt.

Schaut man ihm bei der Arbeit zu, so wird man schnell gewahr: Hier ringt jemand auf eine schonungslose Weise mit sich selbst. Immer vor Augen: Das innere Bild dessen, was nun Gestalt werden soll. Dazu das stetige Ringen mit dem spröden Material. Hier ein Detail, das noch nicht perfekt ist. Dort ein Ausdruck des Gesichts, der so noch nicht stimmt „Es ist irgendwann fertig, aber nicht vollendet“, spricht der Künstler über Annäherungen. Da ist zum einen Rodin, dessen skulpturales Werk in das eigene Schaffen hineinreicht. Beim Porträt sind es Houdon, Carpeaux und Brekers Maillolbüste. Hinzu kommt die intensive Begegnung mit dem großen italienischen Künstler Augusto Murer, dessen Atelier er einst aufsuchte. Eindrucksvoll ist die Sensibilität, mit der Peter Hohberger auf die Welt schaut. Konsequent an jeglicher Grobheit vorbei nimmt er vor allem das wahr, was einem in der Hektik des Alltäglichen entgeht. Wer ihm als Modell gegenübersitzt, wird sanft zum Innehalten gezwungen. „Das Porträt ist nicht nur das Abbild des Portraitierten — es ist gleichzeitig der Spiegel meiner eigenen Wahrnehmungsfähigkeit“, sagt er über die kreative Auseinandersetzung.

Aus Augenblicken wird Poesie - und das nicht nur in der Bildhauerei, sondern auch auf der Theaterbühne und bei der Schriftstellerei. All das vereint Peter Hohberger in sich und oft genug kamen sich seine vielfältigen Talente ins Gehege und er selbst bei dem Versuch ins Stolpern, ihnen allen gerecht zu werden. Dazu gilt seine besondere Liebe auch der Literatur und das wiederum wäre beinahe der Tod seines früheren Hauptberufs der Schauspielerei gewesen, weil es der Bühnenliteratur in den Augen des Proust-Liebhabers an Vielschichtigkeit mangelte.

Aber wo lässt sie sich verorten, diese besondere Verletzlichkeit, die sein kreatives Schaffen überstrahlt? Offenbarungen hierfür liefert möglicherweise eine traumatische Vergangenheit inmitten von Kriegswirren.

Als damals Fünfjähriger wurde Peter Hohberger nach einem Bombenangriff aus den Trümmern eines Kellers gezogen, in dem die Mutter und der jüngere Bruder starben. Der Verlust blieb unbegreiflich und das in der Seele zutiefst erschütterte Kind eine Zeit lang gelähmt. In Erinnerungen einst zu Papier gebracht, tauchen diese Worte immer wieder auf: Es ist das Gefühl einer furchtbaren Verlorenheit. Der Versuch, dem schmerzlich Gefühlten durch kreatives Schaffen zu entrinnen? Kein seltenes Motiv in der Kunst. Und wohl auch eine mögliche Erklärung für die Kraft, die Peter Hohberger in seinem Tun unerbittlich antreibt.

Peter Hohberger (77) fühlt sich der klassischen abendländischen Bildhauertradition hellenistischer Prägung verbunden. Seine Werke befinden sich im öffentlichen Raum in Deutschland und den USA.