Neviges Lampenfieber auch nach 30 Jahren
Neviges. · Franz Röwer beendete am Sonntag seinen nebenberuflichen Dienst als Organist im Mariendom.
„Wir werden Dich vermissen“, raunt eine Gottesdienstbesucherin Franz Röwer auf dem Weg von der Sakristei zur Orgelbühne zu. In dem Vorbereitungsraum für die Gottesdienste im Mariendom hatte sich der 80-Jährige zum letzten Mal den Zettel für die Lieder abgeholt, die er am Sonntag in der 10-Uhr-Messe spielen sollte. Dazu ein Kästchen mit Nummerntasten, über dessen Funksteuerung die Liednummern an die Wand geworfen werden.
„Ich habe richtige Fans“, räumt der Musiker ein. Eine von ihnen ist Dorlies Weber: „Wenn Du spielst, dann ist das immer so schön.“ Dem gebürtigen Nevigeser wurde es nicht an der Wiege gesungen, dass er einmal die Orgel in einer der bedeutendsten Sakralbauten der Nachkriegszeit spielen würde. „Ich habe Werkzeugmacher bei BKS gelernt, wo ich zum Schluss in der Entwicklungsabteilung war. Als Junge habe ich schon Akkordeon gelernt, später im Kirchenchor gesungen, da fragte mich der damalige Chorleiter Willi Sander, ob ich nicht Lust hätte, die Orgel zu spielen. Da hatte ich begonnen, Klavier und Orgel zu lernen“, beschreibt der rüstige Rentner den Anfang seiner nebenberuflichen Karriere als Kirchenmusiker.
Zunächst begleitete er die Marien- und Rosenkranzandachten. Pater Albertin war es dann, der fragte, ob er nicht regelmäßig spielen wolle, weil sich die Gottesdienste in der Pfarrkirche und dem Dom zeitlich überschnitten. „Toccata und Fuge sind nicht mein Ding“, so Franz Röwer, der besonders gerne zur Kommunion spielt und alte Marienlieder interpretiert. „Dafür gibt es ein besonders Register, das klingt so weich.“ Selbstverständlich hat der Musiker bereits alle 50 Register gezogen, über die das 43 Jahre alte, von dem Orgelbauer Stockmann geschaffene Instrument verfügt, das erst seit neun Jahren im Dom erklingt.
Zuvor gab es zwei elektronische Orgeln, auf Letzterer hatte Franz Röwer mit Vorliebe gespielt: „Die lag mir so.“ Nicht immer fließen ihm die Melodien reibungslos in die Tasten. „Fehler passieren nun mal. Wenn man viel Erfahrung hat, kann man die Missgeschicke gekonnt überspielen.“
Wer Gottesdienste begleitet, muss viel üben. „Für Zuhause habe ich mir eine Orgel nach Dr. Böhm selber gebaut“, so der Musiker, der seine geschickten Finger nicht nur am Manual unter Beweis stellte, sondern auch mit Werkzeug. Trotz regelmäßigem Üben und langer Erfahrung setzte sich Franz Röwer auch am Sonntag auf die Orgelbank mit einer Portion Lampenfieber: „Das habe ich immer, man darf nicht einfach darauf los spielen.“
Im Anschluss an die Messe bedankte sich im Pilgersaal Bruder Dietmar Brüggemann für die jahrzehntelange Begleitung der Messen, die vor allem bei den Wallfahrern aus Nah und Fern sehr gut ankam. „Bei den Marienliedern sind den Pilgern oft die Tränen gekommen“, stellte der Franziskaner-Bruder fest. Der so Gelobte, der diese letzte Messe so gefasst anging, bekam dann auch feuchte Augen.
Der Abschied von Franz Röwer hängt mit dem Weggang der Franziskaner aus Neviges zusammen, dadurch müssen Gottesdienste entfallen. Ursula Klose, die hauptamtliche Organistin der Pfarrgemeinde, kann mit ihrem vorgegebenem Stundenkontingent, die anfallenden Gottesdienstbegleitungen ohne Weiteres bewältigen.