Land unter in Wülfrath: „Das ist die Hölle“

Vor allen Dingen Koxhof und Aprath waren betroffen. Der Teich-Deich hielt.

Wülfrath. Wie eine Flutwelle rollt die Wassermasse durch den Tunnel am Aprather Weg und schießt auf die Schlosskurve zu. Gleichzeitig wächst die beschauliche Düssel zu einem bis zu 40 Meter breiten Fluss.

Von Feldern, Auen und Gärten ist gegen 16 Uhr in Koxhof nichts mehr zu sehen. Land unter. "Das ist die Hölle", sagt Stadtbrandmeister René Rahner knapp - und koordiniert die Hilfskräfte.

Das Unwetter hat Schlupkothen unter Wasser gesetzt. Mindestens drei Menschen werden verletzt. Mehr als 50 Einsätze werden gezählt, 116 Einsatzkräfte kämpfen in Wülfrath gegen die Folgen des Gewitters an. "Der Schaden geht in die Millionen", ist sich Rahner sicher.

"Bemerkenswert, wie ruhig und sachlich unsere Wehr den Einsatz absolvierte", zieht Ordnungsamtsleiter Reinhard Schneider am Tag danach Bilanz. Neben dem Bereich Schlupkopthen waren Dieselstraße, Liegnitzer Straße und Flandersbach die Hauptkrisengebiete.

Auch am Flehenberg liefen etliche Keller voll. "Es ist dramatisch, was die Menschen vor allem in Koxhof und Aprath erleiden mussten", stellt Schneider fest.

"Wir haben gerade nochmal Glück gehabt", sagt zum Beispiel Maja Siebel. Nur wenige Zentimeter von ihrem Auto entfernt, reißt das Unwetter in der Ellenbeek einen Baum samt Gehsteig aus dem Boden.

Schräg gegenüber pumpen Feuerwehrleute den Vorplatz des Kaufpark-Getränkemarktes aus, der zum Sammelbecken für das Regenwasser der Ellenbeek wurde. Kunden und Angestellte wurden regelrecht vom Wasser überrascht, als Vorplatz und Markt voll liefen.

Unter den Zuschauern, die die Wassermassen kaum fassen können, ist auch Svenja Voss (15). "Bei uns sind Garage und Auffahrt vollgelaufen. Es ist krass, dass sich so was plötzlich vor der eigenen Haustür abspielt", sagt die Anwohnerin, während die Pumpe der Feuerwehr auf Hochtouren läuft.

"Ich stand bis zur Hüfte im Wasser", sagt Feuerwehrmann Kai Jansen. Marktleiter Andreas Gäcke wird heute den Getränkeshop noch nicht wieder öffnen können.

Seit 15.15 Uhr - als die ersten Hilferufe bei der Feuerwehr eingingen - sind neben den Wülfrathern auch Mannschaften und Fahrzeuge aus Haan, Hilden, Erkrath, Monheim und Langenfeld im Einsatz.

Alle paar Sekunden gibt es neue Anrufe. Um 15.30Uhr gibt der Deutsche Wetterdienst eine Unwetterwarnung heraus.

Besonders hart trifft es Schlupkothen. "Das Wasser ist ungehindert von einem Garten in den anderen gelaufen und hat Geröll und Steine mitgerissen, hat Wegplatten unterspült", sagt Eckhard Grzegorzewski.

Seine Tochter Carmen hat die Massen wie einen Wasserfall aus dem angrenzenden Waldstück kommen sehen. "Das Wasser lief durch die Gärten und dann durch die Kellerfenster ins Haus", berichten auch Nicole und Olaf Hornscheidt.

Auch Salvatore Rochira ist erleichtert, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. "Ich habe 150 Jahre alte Möbel im Keller, die wir notdürftig höher gestellt haben, aber viele der Keller müssen ganz renoviert werden."

Dass die Regenmassen so ungehindert den angrenzenden Sportplatz fluten und die Häuserreihe unter Wasser setzen konnten, liege, so die Anwohner, auch in der Verantwortung des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes.

"Deren Rohre sind schon lange verstopft und bieten keinen Abfluss mehr, aber getan wurde nichts."

"Die Feuerwehr hat uns Hilfe zugesichert, aber wir haben uns inzwischen gegenseitig mit Pumpen versorgt und die Kellerräume bestmöglich leer gemacht", sagt Anwohnerin Christa Simon. "Wir haben als Nachbarn gut zusammengearbeitet."

Einige Meter weiter steht Nenita Winderlich bauchnabeltief im Wasser. Die Düssel ist hier 20 bis 30 Meter breit. Im Souterrain ihres Hauses stehen Möbel unter schlammigem Wasser.

"Wie soll das alles weiter gehen?" fragt sie sich. Günter Winderlich scheint die Ruhe selbst zu sein. "Wir sind hier ja Hochwasser gewohnt, aber das ist die Spitze. Ändern können wir nix", sagt er und lächelt sogar ein bisschen.

Zu Lachen ist Rahner und seinen Einsatzkräften zu diesem Zeitpunkt nicht zu Mute. Der Deich des Aprather Teiches ist erheblich gefährdet - und damit ganz Düssel.

Im letzten Moment können zwei Bagger aus dem Teich geschleppt werden, bevor sie von den Wassermassen in den Schlamm gekippt werden. "Wir haben das Düsseler Feld und den Deich vorsorglich gesperrt", sagt Reinhard Schneider - mit durchaus ängstlichem Blick in den Himmel.

Das Gewitter scheint zu drehen - und noch einmal Kurs auf Aprath zu nehmen. Es bleibt bei der Furcht. Das Unwetter kehrt an diesem Samstag nicht zurück...