Nach 69 Stufen gibt es den Blick auf die Schalke-Arena

Bürgermeister Stefan Freitag trifft auf seinen Vorgänger Johannes Mohn.

Velbert. Zufrieden ist Stefan Freitag mit seinem Amtsvorgänger nicht. Er findet ihn unsympathisch. "Der ist aber hochnäsig", urteilt er. Kritisch beäugt er den groß gewachsenen Mann mit einer Schärpe in den Nationalfarben Frankreichs vor seiner Nase, während der die Festschrift verliest. Johannes Mohn heißt er. Und im Jahr 1808 wurde er zum ersten Bürgermeister der Stadt Velbert ernannt.

Nach 200 Jahren ist Johannes Mohn nur noch eine Pappfigur. Das Treffen zwischen dem einstigen ersten Mann der Stadt in Pumphose und Plastron und dem jetzigen Bürgermeister, der einen schlichten dunklen Anzug mit roter Krawatte vorzieht, ist fingiert - für die Westdeutsche Zeitung.

Den Spaß macht Freitag auf dem Turmfest rund um das Rathaus gerne mit. Apropos Turm, der war an diesem Samstagmorgen der absolute Besuchermagnet. "Da kommt man ja sonst nicht hoch", weiß die Velberterin Lieselotte Meisters. 69 Stufen muss die ältere Dame nehmen, um den rund 33 Meter hohen Turm zu erklimmen.

Im Jahr 1929 wurde der Grundstein des Turmes gelegt, in den 50er Jahren überlegte man, über den Dächern Velberts ein Café zu eröffnen, was aber verworfen wurde. "Schade", finden Lieselotte Meisters und ihre Freundin Helga Kuck, die beide zu einem Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee nicht "nein" sagen.

Wenn Kuck mittlerweile auch in Düsseldorf wohnt, hängt ihr Herz noch sehr an Velbert. "Schließlich bin ich hier aufgewachsen und habe hier viele Jahre gelebt", sagt die 69-Jährige. Sie lässt ihren Blick schweifen. "Da, in der Nähe des Finanzamtes hatten wir unsere erste Wohnung", zeigt sie mit dem Finger. Damals gab es da eine Bäckerei und eine Wäscherei. An der Ecke war ein Zigarrenladen, erinnert sie sich.

Das Wahrzeichen von Velbert-Mitte, die Christuskirche fällt sofort ins Auge. Bei dem klaren Wetter an diesem Morgen reicht die Sicht sogar bis ins Ruhrgebiet. "Dahinten können Sie die Schalke-Arena sehen", sagt die junge Frau, die die Besucher auf den Turm führt.

Als einen Velberter durch und durch kann man Hans Oppermann bezeichnen. Für den Ehrentag seiner Stadt hat er sich extra das kleine Stadtwappen ans Revers seiner Regenjacke geheftet.

Mit roten Buntstiften malen das wiederum die Mini-Velberter eine Etage tiefer fleißig aus. "Velbert ist berühmt für seine Schlösser, deshalb ist auch eins auf dem Wappen", weiß Patrick (8). Noch vor fünf Minuten hat er mit anderen Kindern den Worten des Bürgermeisters gelauscht, als der das Märchen vom "Schmuggelpeter" vorgelesen hat.

Die Hauptrolle spielt dabei Klein-Peter, der im Jahr 1813 Abenteuer in Velbert erlebt. Und wie ist das so, wenn nicht Mama, sondern das Stadtoberhaupt ein Märchen vorliest? "Ach, das war der Bürgermeister", staunt Patrick, "ich dachte, das war irgendein Mitarbeiter, aber er hat das echt gut gemacht." Dagegen wusste Tobias (8) schon genau, wer der "Märchen-Onkel" war. Und was macht der so? "Der setzt sich für Menschen ein und entscheidet", sagt der Achtjährige, und sein Bruder Florian (5) nickt eifrig. Beeindruckt hat die beiden Jungs, das Deutschland-Fähnchen im Chef-Büro. "Er ist Fußball-Fan wie wir", meint Florian.

Gleich geht’s für die beiden kleinen Velberter noch ins Kellergewölbe. Im Teil des ehemaligen Amtsgerichts von 1893 wollen sie sich mit ihrer Mama eine Arrestzelle anschauen. Auf etwa acht Quadratmetern sollten die Gefangenen damals hinter einer massiven Holztür mit vielen Riegeln und Schlössern über ihr Vergehen nachdenken - aber das nur über Nacht. "Da kam man hin, wenn man böse war", weiß der fünfjährige Florian.