Toll, diese kühnen Brüder!

Das Ensemble von Regisseur und Musiker Thomas Gerhold begeistert mit einer intensiven und großartigen Aufführung.

Wülfrath. "Oh, Nangilima. Ja, Jonathan, ich sehe das Licht. Ich sehe das Licht." Der kleine Krümel stützt seinen großen Bruder. Eine Taube tanzt ein letztes Mal. Der dumpfe Ton des Didgeridoos verhallt. Der Vorhang geht zu, und der Beifall brandet auf - erst noch gezügelt, dann sehr schnell wie entfesselt. Jubel, Stakkato-Klatschen. Das Minuten lang. Und das vollkommen berechtigt.

Beeindruckend. Berührend, Bemerkenswert. Thomas Gerholds Inszenierung des Lindgren-Klassikers "Die Brüder Löwenherz" ist schlichtweg großartig. Sie hinterlässt begeisterte, aber auch nachdenkliche Zuschauer. Denn das Spiel um Tod und Hoffnung ist keine leichte Kost.

Der Erfolg der Aufführung hat viele Gründe. Aus einem Ensemble aus Laienschauspielern, das jederzeit mit Herz und Leidenschaft spielt, ragen der kleine Daniel Fritsche als Krümel und David Gerhold als dessen Bruder Jonathan heraus. Einfühlsam stellen sie sich den schweren Rollen, füllen sie mit viel, viel Talent und ziehen so das Publikum - mehr als 700 in zwei Vorstellungen - in ihren Bann und nehmen es mit auf die Reise nach Nangijala - dem Land der Sagen und Märchen.

Und dann ist da noch diese einzigartige Musik, die Thomas Gerhold geschrieben hat: Archaisch, packend, eindringlich und mitreißend. Es ist die ungewöhnliche Instrumentierung - zumeist Synthesizer, Harmonium und Didgeridoo -, die das Leiden und den Kampf der Brüder Löwenherz begleitet und später in der Stadthalle frenetisch gefeiert wird. Einzigartig.

Jeden Abend erzählt Jonathan seinem todkranken Bruder Krümel Geschichten aus dem sagenhaften Land. Als es zu einem Brand kommt - hinter einer stilisierten Fachwerkmauer schlagen auf der Bühne die Flammen hoch-, rettet Jonathan seinen Bruder und kommt selbst ums Leben. Im Land Nangijala treffen sie sich wieder. Dort werden die Menschen bedroht vom Tyrannen Tengil (Bernd Jost).

Jonathan gehört zu den Freiheitskämpfern. Das Böse wird am Ende besiegt - und die Brüder müssen Nagijala verlassen, weil Jonathan von Katlas Feuer, dem Drachen des Tyrannen, berührt und damit zum Tode verurteilt wurde. Gemeinsam gehen die Brüder ins Licht - und zur zweiten Wiedergeburt, diesmal in Nagilima.

Mit zahlreichen schönen Ideen und vielen kleinen Spezialeffekten setzt Gerhold Reize in der Inszenierung, gibt der Geschichte Tempo - wenn die Dramatik es erfordert, entschleunigt das Spiel - wenn die Traurigkeit die Tiefe der Bühne bleiern gefangen nimmt. Und immer wieder ist es die Musik, die die Stimmung einfängt. Da wabern die Klänge, die Wolfhard Barke dem Didgeridoo entlockt, durch die Halle. Bernd Liffers Harmonium-Spiel hält die sphährischen Tonfolgen zusammen. Von strahlender Schönheit: Barkes Obertongesang. Wirklich faszinierend.

Natürlich sind es auch die lokalen Darsteller, die den Theaterabend so besonders machen, Judith Gerhold brilliert als Balletttänzerin. Und Diakon Schmitz spielt einen Bösewicht so diabolisch, dass ihm die Heidenfreude anzumerken ist. Dazu Kuhlmanns Effekte: Bühnenblitze, Lichterregen und ein Feuer speiender Drache. In dieser Inszenierung passt alles: von der Ausstattung über die Kostüme bis zur Maske.

Jetzt strahlt Thomas Gerhold. Die Menschen in der Stadthalle sind aus dem Häuschen. Nach "Momo" und "Tintenherz" hat der Kirchenmusiker wieder feinste Kulturarbeit abgeliefert. Noch einmal spielt das Trio die so kühne wie nachdrückliche Musik. Zugabe! Ein intensiver, ein unauslöschlicher Abend.