Ein Viertel voller Gegensätze

Der jüngste Stadtteil hat viele Facetten: Plattenbauten und Betonplätze auf der einen Seite, grüne Landschaften und schmucke Einfamilienhäuser auf der anderen.

Ratingen. Es ist wohl der Stadtteil, bei dem die Meinungen am heftigsten auseinandergehen. "Schrecklich, dreckig, sozialer Brennpunkt", kommentieren die einen Ratingen West, die andere sagen: "Grün, vielfältig, tolerant". Der Grund für diese Kluft: West ist voller Gegensätze. Dies gilt sowohl für die Bewohner des jüngsten Stadtteils Ratingen als auch für die Architektur.

Ende der 60er Jahre entstand auf den früheren Feldern im Westen Ratingens die "Trabantenstadt", wie sie auch heute noch von einigen genannt wird. Markantestes Merkmal: Die Hochhäuser, die damals von der "Neuen Heimat" gebaut wurden und bis zur Sanierung vor wenigen Monaten noch als Papageienhäuser bezeichnet wurden. Heute heißen sie nicht mehr so, sondern Himmelshäuser und prägen das Zentrum rund um den Berliner Platz. Dort leben häufig sozial schwächer gestellte Menschen - viele von mit Migrationshintergund (16 Prozent in ganz West).

Ganz anders sieht es nur ein paar Kilometer weiter in der Grachtensiedlung und in Volkardey aus. Dort stehen Einfamilienhäuser mit akkurat gepflegten Vorgärten. Drumherum ist grüne Landschaft und der Naherholungspark mit dem Grünen See und Silbersee. Im Sommer genießen dort pro Tag bis zu 25 000 Menschen - auch aus der Umgebung - die Sonne.

Doch wie immer auch die Meinungen über den Stadtteil auch aussehen mögen, die Ur-Westler sind stolz auf sich und ihr Viertel. "Ich lebe seit 40 Jahren hier und bin kein einziges Mal auf die Idee gekommen, hier wegzuziehen, auch wenn der Ruf bei vielen von außerhalb nicht der Beste ist", sagt BU-Ratsmitglied Heinz Brazda. Die Menschen, die schlecht über West redeten, würden dem Stadtteil aber unrecht tun. "West ist liebenswert und selten habe ich so viele Menschen erlebt, die sich für ihren Stadtteil einsetzen wie hier."

Das Engagement der Bewohner ist in der Geschichte Wests immer wichtig gewesen. Anfangs konnte von Infrastruktur in dem Stadtteil nicht die Rede sein. Sie existierte schlichtweg nicht. Ein Bürgerverein gründete sich. Sein Ziel: Die Interessen der Westler bei der Stadt durchsetzen. Und sie hatten Erfolg. Nach und nach entstanden Geschäfte, siedelten sich Ärzte an, und der öffentliche Nahverkehr fuhr auch bald durchs Viertel.

Und heute? Heute brauchen die Menschen in West, zumindest für den alltäglichen Bedarf, ihren Stadtteil nicht mehr zu verlassen. Im Zentrum gibt es ein großes Einkaufszentrum mit Supermärkten, Poststelle, Drogerie, Blumenladen und Bäckereien. Außerdem haben sich 17 Ärzte verschiedener Fachrichtungen und vier Zahnärzte niedergelassen. Sport treiben ist in der großen Sportanlage an der Gothaer Straße, der Eisporthalle und in vier Turnhallen möglich.

Hervorragend ist die Versorgung mit Erziehungs- und Bildungseinrichtungen: Es gibt drei Grundschulen, einer Sonderschule für geistig Behinderte, eine Realschule, ein Gymnasium und eine Gesamtschule. Außerdem haben Eltern die Auswahl zwischen zehn Kindergärten mit insgesamt über 700 Plätzen.

"Gegensätzlich" ist West auch bei Grundstückpreisen und Mieten. Günstig wohnt man vor allem im Kern, in den Siedlungen drumherum hat das attraktivere Wohnen mit viel Grün einen höheren Preis.