Neviges: Harte Worte statt Geflüster
Nichts für Zartbesaitete: Bei „Pferdeflüsterin“ Janet Rosenberger kann es auch mal lauter werden. Die Teilnehmer sollen ihr Pferd selbstsicher führen.
Neviges. "Dafür kriegst du die gelbe Karte, weil du selbst nicht dran glaubst!" Mit Schwung hebt Janet Rosenberger einen gelben Prospekt nach oben. Doris Gieskes guckt verlegen auf ihre Stiefelspitzen. Mit ihrem Pferd "Ferrero Küsschen" nimmt sie auf dem Hof Berkenkamp an einem Tagesseminar der "Pferdeflüsterin" Janet Rosenberger teil.
Ihr Pferd ist nicht einfach, das weiß sie. Und das weiß auch Trainerin Janet Rosenberger, die in ganz Deutschland Seminare für Pferd und Reiter gibt. Nach ihrer Ansicht ist es in der Regel nicht das Pferd, das Hilfe braucht, sondern der Reiter. "Doris, du musst deinem Pferd klar machen, dass es seinen Hintern zu bewegen hat, sonst kommt es zum Schlachter!"
Wer glaubt, dass eine Pferdeflüsterin nur sanfte Worte raunt und durch ein paar Streicheleinheiten das bockigste Pferd zum anhänglichen Haustier macht, hat sich bei Janet Rosenberger geirrt.
Ziemlich deutlich macht sie die Reiter auf ihre Verfehlungen aufmerksam, erklärt, warum es die Aufgabe des Menschen ist, zum Leittier zu werden und warum durch Körpersprache Respekt und Vertrauen entwickelt werden müssen. "Engelchen, nicht mit Wattebäuschchen werfen! Du ziehst jetzt einmal am Zaumzeug und dann gehst du nochmal bis zu Punkt M. Aber flott!" Gehorsam trotten Ferrero und Doris zu Punkt M. Es ist schwer zu sagen, wem der Abriss mehr zusetzt.
Schon seit eineinhalb Stunden sind die drei Teilnehmer mit ihren Pferden in der Halle beschäftigt. Nachdem am Morgen erst die Theorie durchgesprochen wurde, steht nun der Praxisteil auf dem Plan. Es geht darum, das Pferd zu führen, es seitwärts oder rückwärts gehen zu lassen oder es dazu zu bringen, gleichzeitig mit dem Besitzer zu stoppen.
Immer wieder müssen Ferrero und das zweite Pferd "Amadeus" diese Übungen hinter sich bringen. Hat etwas geklappt, gibt es Lob und Streicheleinheiten für das Tier, klappt etwas nicht, wird die Übung wiederholt.
So laufen Doris Gieskes und ihr Pferd immer wieder auf eine blaue Plane zu, die es zu überqueren gilt. Mit einem Blick auf Janet Rosenberger versichert sie sich, ob sie alles richtig macht. Die Antwort kommt postwendend: "Du hast dich zu mir umgedreht, das ist nett. Dankeschön. Aber jetzt dreh’ dich zu deinem Pferd!" Im gleichen Ton geht es weiter: "Doris, wann hältst du an?" - "Dann, wenn ich möchte." - "Siehst du, das ist dein Problem. Du hast kein Ziel. Und wenn man kein Ziel hat, hat man auch keinen Erfolg im Leben!"
Zartbesaitete Reiter hätten in diesem Moment die Segel gestrichen, Doris Gieskes macht trotzig weiter. Immer wieder nimmt sie ihren Hengst an die Leine und steuert mit ihm auf die Plane zu. Sieben Versuche sind nötig, ehe Ferrero hinter seiner Herrin über die Plane trottet.
Das Tagesseminar mit der Pferdeflüsterin ist ein wenig anders gelaufen, als sie es sich vorgestellt hatte. Statt Flüstern gab es deutliche Worte - fürs Pferd und für die Reiterin. Mit dem Ergebnis ist sie trotzdem zufrieden, "aber jetzt muss ich das erst mal sacken lassen. Das war ziemlich viel!"