Pattex hebt mit Rucksack ab
Uhu-Dame sendet jede Nacht Daten an den Ornithologen Reinhard Vohwinkel.
Wülfrath. Sie liebt aufgeräumte Gärten. Der englische Rasen gemäht, der Kompost ordentlich geschichtet: Dann hat sie von den Giebeldächern aus alles bestens im Blick. „Wenn alles schön aufgeräumt ist, sieht man Ratten und Mäuse besonders gut“, sagt Reinhard Vohwinkel schmunzelnd über die Dame, die ihm seit Monaten den Schlaf raubt. Nacht für Nacht schleicht er ihr in den Wülfrather Wohngebieten hinterher, um ihr möglichst nahe zu sein. Und wenn er sie dann endlich gefunden hat? „Dann lese ich mit dem Empfangsgerät die Daten des Senders aus“, erklärt der Velberter Ornithologe.
Was sich nach einer ungewöhnlichen nächtlichen Romanze anhört, ist im Grunde schnell erklärt: Das Objekt der Begierde heißt „Pattex“, ist eine Uhu-Dame und sorgt gerade für Schlagzeilen. Seit mehr als 300 Tagen trägt die Eule einen kleinen Rucksack-Sender unter dem Gefieder, der sie offenbar überhaupt nicht stört. „Alle anderen Uhus, bei denen dass in Deutschland bislang versucht wurde, haben sich den Sender mit dem Schnabel abgeknibbelt“, erklärt Vohwinkel, warum die gefiederte Wahl-Wülfratherin in Fachkreisen für besonderes Aufsehen sorgt.
Wie viele Flügelschläge braucht sie vom Rathaus bis zum Dachgiebel in der Ellenbeek? Wie viele Mäuse hat sie verspeist? Hat sie sich eine faule Nacht gegönnt, oder war die Rattenfängerei mal wieder der pure Stress? Es gibt fasst nichts, was der kleine Rucksack unter dem Federkleid nicht verrät. „Wir können genau sagen, in welcher Höhe sie geflogen ist, wie viel Energie sie verbraucht und wie oft sie sich bewegt hat“, erklärt Reinhard Vohwinkel.
Da der Sender spätestens alle zehn Tage ausgelesen werden muss, ist der Ornithologe ständig nachts unterwegs. „Der Sender ist nur von sechs Uhr abends bis fünf Uhr morgens aktiv. Ich muss in dieser Zeit mit dem Empfänger bis auf 200 Meter rankommen“, erklärt er seine nächtlichen Streifzüge.
Zu Hause wertet Vohwinkel dann das umfangreiche Datenmaterial aus: „Ich kann dass alles auch auf Google Earth überspielen und weiß so genau, wo der Uhu unterwegs war und wie lange er von A nach B gebraucht hat.“ Nach beinahe einem Jahr ist nun der Akku fast leer, der Sender meldet sich nur noch sporadisch.
„Momentan brütet Pattex in Rohdenhaus. Aber wenn die Familienphase vorbei ist, werde ich ihr den Sender abnehmen“, hat Vohwinkel das Ende des Forschungsprojektes bereits im Blick. Schon jetzt ist er ein gefragter Referent bei den umliegenden Naturschutzbehörden, die sich von seinen Erkenntnissen viel versprechen. „Da geht es zum Beispiel um geeignete Standorte für Windkraftanlagen, die so gebaut werden sollen, dass sie die Flugbahnen der Vögel möglichst nicht stören“, weiß Vohwinkel. Und er verrät auch noch, wie die gefiederte „Königin der Nacht“ zu ihrem Namen gekommen ist: „Ich habe sie Pattex getauft, weil sie den Sender schon so lange trägt“, verrät er.