Ratingen: Ehrenamt - Hinsehen und aktiv werden
Seit fast 30 Jahren steht Edith Bohnen an der Spitze des Sozialdienstes katholischer Frauen.
Ratingen. Der Ort ist wohl gewählt. Es könnte keinen besseren geben. Edith Bohnen steht im Schatten von St. Peter und Paul an einer, nein, an der Skulptur, an dem Stück angerostetes Eisen, in dem für Edith Bohnen so viel Ratingen steckt. Das Kunstwerk stammt aus der Werkstatt des Künstlers Thomas Duttenhoefer (58). Es symbolisiert Vergangenheit und weist den Weg in eine+ bessere Zukunft.
Edith Bohnen mag Mahnmale nicht. Nur rückwärtsgewandt reicht ihr nicht aus. Deshalb passt die Skulptur zur Vorsitzenden des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SkF) in Ratingen. Konsequenzen ziehen, Fehler erkennen und korrigieren, das ist die Arbeit des SkF. Das hat Edith Bohnen sich auf die Fahne geschrieben. So denkt sie, so handelt sie.
Die wundervolle Skulptur am Fuße der beeindruckenden Kirche erinnert an Ratingens dunkle Jahre. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges ließen Nazi-Schergen elf Gefangene aus den Niederlanden, Polen und der Ukraine erschießen. Später, nach dem Krieg, mussten die Verbrecher ihre Opfer mit eigenen Händen an der Kirche Gräber graben. Daran erinnert die arme, geschundene, hilflose Kreatur. Sie steht für Sünde, und sie steht für Anstand. Sie ist der Beweis dafür, dass sich eine Gesellschaft zu ihrer Geschichte bekennen und aus ihr lernen kann.
Dem Lieblingsort von Edith Bohnen fehlt deren rheinische Leichtigkeit. Er strahlt weder die Kraft noch die Zuversicht aus, die der Vorsitzenden des SkF eigen sind. Und doch passt er, weil er Verantwortung und Einmischung verlangt, weil er daran erinnert, dass Wehrlosigkeit und Leid auch aus der Ratinger Gesellschaft nie verschwinden werden. Die Figur auf dem grob behauenen Granitstein verbindet Edith Bohnen mit ihrer Stadt.
"Hier ist Leben", sagt die 73 Jahre alte Sozialarbeiterin und beschreibt mit der Hand einen weiten Bogen. Die Geste schließt das Ensemble um die Kirche ein, das Herz dieser kleinen großen Stadt.
Passanten heben den Blick, grüßen die Frau vom SkF. Bohnen ist bekannt. Wer fast 30 Jahre an der Spitze eines Sozialdienstes steht, ist Wer. "Wir haben viel erreicht", sagt sie.
Und es gibt noch viel zu tun. "Jeden Tag werden Menschen ausgegrenzt. Auch in Ratingen." Das ist die andere Seite dieser blühenden, aufstrebenden Stadt. Das ist das Geschäftsfeld, auf dem sich Edith Bohnen ehrenamtlich mit einem ganzen Heer von Ehrenamtlern bewegt. Helfer gibt es in Ratingen offenbar genug. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat der SkF eine Freiwilligenbörse gegründet. Der Zulauf ist immens. "Manchmal kommen Frauen zu mir und fragen, ob ich nicht ihren Mann haben will", erzählt Edith Bohnen und lacht.
Viele Pensionäre wüssten halt nicht, was sie im Ruhestand mit sich anfangen sollten. Auch da kann Edith Bohnen helfen. Arbeit gibt es im Sozialdienst katholischer Frauen mehr als genug: Alte Menschen, die vereinsamen, Jugendliche, die in der Schule nicht zurecht kommen, Familien, die hoffnungslos überschuldet sind, alleinerziehende Mütter, die nicht ein noch aus wissen, Obdachlose, die ein Schicksal aus der Bahn des Lebens geworfen hat - abseits der Flaniermeilen und Hochglanzfassaden macht sich Elend breit. Und das lässt Edith Bohnen nicht ruhen. "Wenn jeder Mensch nur auf einen anderen Menschen ein Auge hätte, bräuchten wir viele Sozialdienste nicht", sagt die SkF-Chefin.
Aber die Realität ist auch in ihrem geliebten Ratingen eine andere. Deshalb macht die Vorsitzende weiter, was sie schon seit fast drei Jahrzehnten macht. Sie geht wachen Auges durch ihre Stadt, sie sieht hin, hört zu und zieht die Konsequenzen.
Dann nutzt sie ihren guten Ruf, versichert sich der Unterstützung von Politik und Verwaltung, sammelt Geld, hilft. "Das Schöne ist, dass es unter den sozialen Einrichtungen in Ratingen überhaupt keine Konkurrenz gibt. Vieles machen wir sogar gemeinsam", erklärt Bohnen und nimmt wieder Kurs auf die Skulptur. "Hier gehe ich immer wieder vorbei." Dieser Lieblingsort ist wohl gewählt.