Wülfrath: Ein Stein gegen das Vergessen

Am Donnerstag verlegte der Künstler Gunter Demnig den ersten Stolperstein in Wülfrath. Er erinnert an Johanna Beyth.

Wülfrath. Es dauert nicht lange, bis der kleine Stein mit der Messingplakette im Boden eingelassen ist. Zusammen mit dem 18-jährigen Schüler Nils, der mit seinem Religionskurs auf den Heumarkt gekommen ist, hebt der Kölner Künstler Gunter Demnig an der Wilhelmstraße vor dem Juweliergeschäft einen Pflasterstein aus dem Boden - und ersetzt ihn durch einen so genannten Stolperstein mit der Aufschrift "Hier wohnte Johanna Beyth."

Ein kleiner Stein mit großer Wirkung: Er soll an die von den Nationalsozialisten ermordete Wülfratherin Johanna Beyth erinnern. "Und er soll vor allem deutlich machen, dass die nationalsozialistische Diktatur nicht irgendwo in Berlin stattfand, sondern ihren Ausgangspunkt auch in einem kleinen Städtchen wie Wülfrath hatte", sagte der Wülfrather Historiker Frank Homberg nach der Verlegung des ersten Stolpersteins in der Stadt. Schüler aus Gymnasium, Real- und Hauptschule, Politiker sowie Vertreter von Stadt und Kirche waren gekommen.

"Die Opfer bekommen ihre Namen zurück statt der Nummern im KZ", erklärt Gunter Demnig einen Aspekt seiner Stolpersteine, die er schon in vielen anderen Städten verlegt hat. Außerdem sei es hilfreich, das Schicksal einzelner Personen aufzuarbeiten, um das Grauen erfahrbar zu machen. "Wenn man ein Buch aufschlägt und von sechs Millionen Opfern liest, bleibt es erst mal eine abstrakte Größe." Erst durch persönliche Geschichten "wird es handfest", so Demnig.

Johanna Beyth lebte mit ihrer jüdischen Familie, die ein Herrenoberbekleidungsgeschäft führte, an der Wilhelmstraße. "Gerade bei der ärmeren Kundschaft war die Familie außerordentlich beliebt", so Homberg: "Zu besonderen Anlässen wie Taufe oder Hochzeit war Georg Beyth bereit, Anzüge zu verleihen und ermöglichte damit, die Feste in würdiger Garderobe zu begehen." Johanna Beyth, Jahrgang 1889, arbeitete als Klavierlehrerin. Doch in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Familie verfolgt, Johanna Beyths Name findet sich im Boykottverzeichnis der Wuppertaler NSDAP. 1941 wurde sie nach Minsk deportiert und dort 1942 ermordet. 2003 wurde bereits eine kleine Gasse in der Innenstadt nach ihr benannt.

AUFSCHRIFT "Hier wohnte Johanna Beyth, Jg. 1889, deportiert Nov. 1941, ermordet 1942 in Minsk"

PROJEKT Etwa 14 000 Stolpersteine hat der Kölner Künstler Gunter Demnig schon verlegt.

WÜLFRATH Frank Homberg denkt schon an weitere Stolpersteine, die in Wülfrath platziert werden könnten. Zum Beispiel als Erinnerung an Eugen Raucamp und Willi Evertz, die verhaftet wurden, weil sie bei einer Feier einen russischen Radiosender eingeschaltet hatten. Sie starben 1943 in einem Konzentrationslager.