„Ratingen wird in Sachen Pflege dringend aufrüsten müssen“

Wie wird der Alltag in Pflegeheimen 2020 aussehen? Die WZ fragte Claudia Witte, Leiterin des Haus Salem in Lintorf.

Es ist kein Geheimnis, die Zahl der Senioren wird in Zukunft stark ansteigen. Wie wird Ratingen 2020 aussehen?

Claudia Witte: Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass wir bis zum Jahr 2020 40 Prozent mehr Pflegebedürftige haben werden. Für diese Menschen müssen wir diverse Wohnformen anbieten wie etwa betreutes Wohnen, Wohnungen mit Service, aber auch Privatinitiativen wie Wohngemeinschaften. Doch auch das klassische Pflegeheim wird es immer geben. Dazu kommen Einrichtungen für Menschen mit speziellen Erkrankungen wie Demenz.

Witte: Momentan ist die Zahl der Alten- und Pflegeheime ausreichend. Allerdings ist bei einer Steigerung von 40 Prozent klar, dass auch in Ratingen dringend aufgerüstet werden muss. Dabei gilt aber auch immer die Devise "ambulant vor stationär", denn nur dann können wir diese Entwicklung überhaupt auffangen.

Witte: Es wird eine zunehmende Spezialisierung auf einzelne Seniorengruppen geben. So haben zum Beispiel Demenzkranke ganz andere Bedürfnisse als Menschen im Wachkoma oder als der klassische Heimbewohner.

Witte: Zum einen haben wir viele jüngere Senioren, die noch recht fit sind und Sport machen oder am Computer sitzen. Aber wir beobachten auch, dass es zunehmend Menschen mit psychischen Erkrankungen wie etwa Depressionen oder Schizophrenie gibt. Für diese Menschen müssen ganz andere Wohn- und Betreuungsformen geschaffen werden, denn ihre Anzahl steigt ständig an. Dazu kommen durch den medizinischen Fortschritt auch immer mehr behinderte Senioren, die versorgt werden müssen - und das am besten in ihren gewohnten Wohngruppen.

Witte: Da wird die Frage sein, wie viel die Gesellschaft bereit ist aufzubringen. Die Pflegeversicherung alleine wird das nicht abdecken können. Am Ende wird es wohl leider so sein, dass die soziale Kluft ganz automatisch für unterschiedliche Angebote sorgen wird. Da werden wir auf der einen Seite hochpreisiges Wohnen haben, wo die Bewohner mit allem Drumherum versorgt werden. Auf der anderen Seite wird es Einrichtungen geben, die nur wenig kosten. Dort wird außer der reinen Pflege nur wenig zusätzlich angeboten werden können. Möglicherweise werden auch die ungeliebten Mehrbettzimmer zur Regel.

Witte: Auf jeden Fall. Wir beobachten, dass das soziale Umfeld sehr wichtig ist. Vor allem die jüngeren Senioren sind noch sehr aktiv, machen Sport, sitzen am Computer oder lernen noch Sprachen. Die Senioren von heute sind viel selbstbewusster geworden und stellen mit Recht viel mehr Forderungen.

Witte: Eigentlich passiert in Ratingen viel. Es fließen beispielsweise schon Gelder in viele Einrichtungen, aber natürlich muss auch in Zukunft viel gefördert werden. Vor allem die Kooperation der einzelnen Stellen muss noch wachsen und unterstützt werden. Aber bei vielen Dingen klappt das auch heute schon gut. So hat das Grünflächenamt sofort für unsere Senioren Bänke aufgestellt, die im Park spazieren gehen. Und auch die Bürgersteige sind abgeflacht worden, als wir darum gebeten haben.

Witte: Baulich sind wir ausgereizt, mehr als unsere 80 Plätze können wir nicht anbieten. Natürlich wollen wir unsere Spezialisierung auf Demenzerkrankte noch weiter ausbauen, denn wir merken, dass wir mit unserem Konzept die Menschen gut erreichen.