Velbert: Speicher mit historischer Aura

Der alte Wasserturm an der Steeger Straße wurde 1904 eingeweiht. Er fasst 900Kubikmeter Wasser und ist noch heute funktionsfähig.

Velbert. Woher kommt mein Wasser? Aus dem Hahn! Und wie kommt das Wasser in den Hahn? Durch das Rohr! Und wie kommt das Wasser in das Rohr? "Tja, das machen die Stadtwerke", sagt Ingenieur Thomas Patzak. Eine wichtige Rolle spielen dabei bis heute massige Wassertürme.

Die Geschichte der zentralen Wasserversorgung in Velbert begann 1891, als Trinkwasser erstmals aus dem Wasserwerk Kettwig nach Velbert gefördert wurde. Mit 60.000 Litern pro Stunde war das für heutige Verhältnisse eine bescheidene Menge; zumindest konnte man damit 400 Badewannen füllen. Gewonnen wurde das Wasser damals wie heute aus den Uferbereichen der Ruhr. Eine dampfbetriebene Pumpe förderte es über eine kilometerlange Leitung in die 220 Meter höher gelegene Stadt.

Um innerhalb des Stadtgebietes den seinerzeit rund 6.000 Bewohnern einen stets ausreichenden Wasserdruck zu garantieren, wurde im gleichen Jahr ein Wasserturm am Dalbecksbaum errichtet. Doch die steigende Nachfrage im schnell wachsenden und zunehmend industrialisierten Velbert konnte das Bauwerk bald nicht mehr decken.

So erhielt 1903 einer der weltweit führenden Ingenieure für Wasserbauten, der Aachener Professor Otto Intze, den Auftrag, einen größeren Wasserturm an der Steeger Straße zu konstruieren. Mit seinen 900 Kubikmetern fasst er etwa so viel wie das Hallenschwimmbecken des Nevigeser Panoramabads. Die Einweihung des 48 Meter hohen Turms 1904 konnte Intze noch miterleben, wenige Monate später starb er im Alter von 61 Jahren.

Rotbraune Backsteinwände hatte der Architekt dem Gebäude verpasst, hinter denen sich die enge metallene Wendeltreppe Stockwerk um Stockwerk nach oben windet - zunächst vorbei an gänzlich leeren Räumen, die um den Treppenschacht herum liegen. Es hallt - kein Wunder bei einer Deckenhöhe von bis zu sechs Metern -, der weiße Putz bröckelt, doch die mitunter 90 Zentimeter dicken Mauern, die darunter hervorlugen, bleiben stabil. Thomas Patzak geht davon aus, dass die Räume nicht nur zur Verwaltung des Turms, sondern auch als Wohnsitz der Mitarbeiter genutzt wurden.

Staubfäden ziehen sich am Geländer entlang. Vorbei an den erbsensuppengrünen Wandplatten, hinter deren wuchtigen Nieten sich einst das Wasser staute, geht es zum buchstäblichen Höhepunkt des Turms, der so genannten Dachlaterne. Der oberste Aufsatz dient der Entlüftung und bietet mit seinem schmalen Außengeländer zudem einen Rundumblick weit über Velbert hinaus.

Mit finanzieller Unterstützung des Landes leitete Patzak, der für die Bauten der Stadtwerke zuständig ist, 2002 bis 2003 die Sanierung des denkmalgeschützten Turms. Besonders das Innere hatte sich in einem "desolaten Zustand" befunden. So wurde unter anderem der rostige Wasserbehälter sandgestrahlt, Holzfäule beseitigt und die Belüftungslaterne mit Hilfe polnischer Stuckateure rekonstruiert.

Von der historischen Aura abgesehen, hat jedoch längst der benachbarte "große Bruder" die Aufgabe der Wasserversorgung übernommen: 1958 ging mit dem BKS-Hochhaus an der Lindenstraße ein neuer Turm in Betrieb, der als Kombination aus Wasserspeicher (mit 3.000 Kubikmetern) und Wohnhaus zu einem Wahrzeichen der Stadt wurde.

Während viele in den Ruhestand versetzte Wassertürme in Deutschland durch eine neue Nutzung wiederbelebt wurden - sei es als Museum, Hotel, Kindertagesstätte oder Aussichtsturm -, wird der an der Steeger Straße bis auf weiteres funktionsfähig bleiben. "Eins ist sicher: Wir werden nicht versuchen, den Turm verkommen zu lassen oder gar abzureißen", betont Hans-Walter Humme, bei den Stadtwerken verantwortlich für den Bereich Wasserversorgung.

"Eine neue Nutzung können wir derzeit nicht zulassen, damit wir ihn bei Bedarf vorübergehend wieder in Betrieb nehmen können." Trotzdem: seit den 60er-Jahren haben sich die Hobbyfunker des Velberter Amateur-Radio-Clubs im Erdgeschoss eingerichtet.