Vögel singen gegen Autolärm an
Der Gesang der Tiere ist notgedrungen immer lauter geworden, weiß der Velberter Ornithologe Reinhard Vohwinkel.
Velbert. Umwerben, verzaubern, betören. Das dürfte so in etwa der Arbeitsauftrag der gefiederten Junggesellen sein, wenn sie derzeit in morgendlicher Frühlingslaune ihre Stimme erheben. Da wird geträllert, was das Zeug hält, nur um sich später das Nest teilen und hungrige Schnäbel stopfen zu können. Was sich so romantisch anhört, ist aber oft alles andere als liebevoll gemeint. „Die Weibchen hören natürlich auf die kräftigste Stimme. Wer am lautesten singt, hat die besten Chancen“, weiß Reinhard Vohwinkel.
Deshalb weiß der Velberter Ornithologe auch, wie rabiat es zuweilen in der Balzzeit zugehen kann. Da wird geprotzt, getäuscht und getrickst, um im Überlebenskampf den Schnabel vorn zu haben. Es kann um Leben und Tod gehen, wenn männliche Rivalen im Kampf ums Revier aufeinandertreffen.
Gesungen wird meistens in den frühen Morgenstunden. „Eben wenn Zeit dafür ist“, weiß Vohwinkel. Gehören Amsel und Rotkehlchen eher zu den Frühaufstehern, steckt der Buntspecht locker zwei Stunden länger den Schnabel unters Federkleid, bis endlich aufs Holz geklopft wird. Wer in der Innenstadt trällert, muss das übrigens lauter tun als im Neandertal. „Ein Rotkehlchen muss in den Innenstädten schon ziemlich laut singen, um den Autolärm zu übertönen“, erklärt der Vogelexperte das Zusammentreffen von Vogelwelt und Verkehrschaos. Glaubt man den Experten, so haben Nachtigallen 14 Dezibel zugelegt, um sich gegen Lastwagen und Flugzeuge zu behaupten.
Neben den Lockrufen gibt es auch die sogenannten Warnrufe. Und die werden sogar von artfremden Vögeln sofort verstanden. Katze von unten oder Raubvogel von oben: Mit lautem Geschrei wird die Gefahr gemeldet.
Sind die Jungvögel geschlüpft, sind sie es, die die Eltern auf Trab halten. Lautstark gebettelt wird allerdings nur, wenn es sich lohnt und die alten Herrschaften schon im Anflug sind. Womöglich würde man sonst noch jagdlustige Samtpfoten anlocken.
Trotz der lauernden Gefahren ist die Vogelwelt im Neanderland übrigens sehr artenreich. „Ich habe allein hier in der Gegend um Velbert und Wülfrath etwa 240 Vogelarten nachgewiesen“, gibt Reinhard Vohwinkel einen Einblick in seine Statistik der letzten Jahre. Dass es allerdings über Jahrzehnte hinweg immer weniger Vögel geworden sind, sieht er durchaus kritisch. Frei zugängliche Komposthaufen wurden durch Biotonnen ersetzt. In ordentlichen Gärten finden Haussperling & Co. immer weniger Nahrung. In modernen Häusern fehlt der Unterschlupf für den Nestbau. Und die ständige Gülle-Düngung auf den Feldern sorgt dafür, dass Jungstare mit vergifteten Regenwürmern zu Tode gefüttert werden.