Wenn Schule zur Last wird

Seit Juni sind zwei neue Sozialarbeiterinnen an Ratinger Realschulen und Gymnasien im Einsatz.

Ratingen. Tims Zeugnis strotzte vor Einsen. Doch kaum hatte das neue Schuljahr begonnen, wurden seine Leistungen immer schlechter. Er zog sich zurück, meldete sich nicht mehr, schwänzte den Unterricht. Unter den Klassenarbeiten stand nicht mehr "sehr gut", dafür immer häufiger "mangelhaft".

Seine Klassenlehrerin wurde aktiv: Sie ging zur Schulsozialarbeiterin. Sie sollte mal mit Tim sprechen. Und nach einigen Gesprächen unter vier Augen kam es ans Tageslicht: Der 13-Jährige wird von einem Mitschüler erpresst und bedroht.

Solche Fälle gehören ab sofort zum Alltag von Monique Büsch-Krömer und Nadine Mauch. Denn beiden sind die neuen Schulsozialarbeiterinnen, die im Juni ihren Dienst angetreten haben und für sieben weiterführende Schulen zuständig sind, darunter Gymnasien und Realschulen. Denn genau an diesen Schulformen gab es bislang keine Schulsozialarbeit. Bisher profitierten in Ratingen nur Schüler von Haupt- und Gesamtschulen von professioneller Hilfe von Sozialarbeitern, weil das Land an diesen Schulen einen Bedarf sieht, nicht aber an Gymnasien und Realschulen.

Manche Kommunalpolitiker sehen das aber anders und machten sich im Rat für das Angebot der Sozialarbeit auch an Realschulen und Gymnasien stark. Im Stadtrat wurde noch im Frühjahr eifrig darüber diskutiert, ob die 1,5 Stellen eingerichtet werden sollen. "Denn immerhin ist es eigentlich Aufgabe des Landes, diese Stellen zu finanzieren", sagt Bürgermeister Harald Birkenkamp.

Letztlich habe man sich aber im Rat dazu durchgerungen, die Stellen zu besetzen. "Es besteht einfach dringend der Bedarf an Hilfsangeboten, auch an den Gymnasien und Realschulen", erklärt Birkenkamp, der gestern die neuen Schulsozialarbeiterin in seinem Arbeitszimmer begrüßte und nach ihren ersten Erfahrungen an den Schulen befragte.

Und die haben sie - obwohl erst kurz im Dienst - schon zahlreich gesammelt. "Wir sind noch nicht lange im Einsatz, aber die Anfragen von Schülern, Eltern und Lehrerin, die auf uns einprasseln, sind gewaltig", sagt die 26 Jahre alte Nadine Mauch. Dies zeige, wie nötig auch an den Realschulen und Gymnasien Sozialarbeit ist.

Und wenn beide von den Fällen erzählen, mit denen sie bis jetzt konfrontiert wurden, wird schnell klar: Alkoholismus in der Familie, Mobbing, Missbrauch und Verwahrlosung sind nicht nur ein Problem, das Haupt- oder Gesamtschüler haben. "Wir haben es mit einer Generation zu tun, bei der wir genau hinschauen müssen, auch an diesen Schulen", sagt Monique Busch-Krömer.

Manchmal kämen die Schüler selber zu ihnen, manchmal seien es aber auch Eltern und Lehrer, denen aufgefallen ist, dass sich ein Schüler verändert hat. "Wir können in diesen Fällen beraten und an weitere Stellen vermitteln", erklärt Monique Büsch-Krömer.

Wenn zum Beispiel ein Schüler Schwierigkeiten habe, sich zu konzentrieren und zu lernen, dann könnten sie Vorschläge für Therapieangebote machen. Oder bei Gewalt in der Familie, ans Betreute wohnen verweisen oder einen Heimplatz suchen. "Wir wir helfen, ist vom Einzelfall abhängig, es gibt eben kein Patentrezept und für uns ist das die Herausforderung, sensibel mit solchen Situationen umzugehen", sagt Büsch-Krömer.

Nadine Mauch stimmt ihr zu und erzählt von Plänen, die die beiden in Zuklunft haben. So wollen sie an den Schulen noch präventive Arbeit leisten. "Wir haben schon Kontakt zur Suchtberatung der Diakonie, der Aidshilfe und pro familia aufgenommen."