Neviges Wiedersehen mit Frühwerk
Neviges · . „Das Erste was mir auffiel: Ich habe die Tafel damals nicht signiert und datiert.“ Nach mehr als 50 Jahren erblickt Gerd Adelmann im Foyer der Kirche St. Antonius sein erstes großes Werk wieder, dass er als Student an der Folkwangschule gefertigt hatte.
Sanft streicht seine Hand über die Gedenktafel: „Anröchter Dolomit – ein fantastisches Material. Ich bin gealtert, aber die Tafel nicht.“
Dabei kommt der 80-Jährige Bildhauer wie ein flotter Mitsechziger daher, der zusammen mit seinen Freunden Jürgen Keimer, Edgar Utsch und Ludger Diekamp, der kurzfristig erkrankt war, eine Tour durchs Bergische verabredet hatte. „Wir kennen uns seit 62 Jahren und treffen uns viermal im Jahr. Jeder hat abwechselnd den Auftrag, ein kulturelles Programm auszuarbeiten“, beschreibt Jürgen Keimer den Rahmen der Zusammenkünfte. Diesmal war er an der Reihe, und so schlug der Kölner vor, anlässlich des 100. Geburtstages von Gottfried Böhm den Nevigeser Dom und das Bensberger Rathaus zu besuchen. „Auf dem Weg dazwischen besichtigen wir noch den Altenberger Dom.“
Lehrer Adolf Wamper übertrug Aufgabe an Student Adelmann
„Wenn man in Neviges ist, könnte man doch mal eben nach Tönisheide rauf fahren“, hatte sich Gerd Adelmann gedacht.“ Tatsächlich hatte die Freundesrunde das eingeplant und überraschte mit einem kurzen Abstecher zur Kirchstraße, wo der Künstler noch einmal sein Jugendwerk betrachtete. „Das war um 1965, da studierte ich Bildhauerei an der Folkwangschule in Werden. Ein Pfarrer der katholischen Gemeinde Tönisheide wollte für seine Kirche eine Gedenktafel für die Opfer der beiden Weltkriege haben und kam zu uns. Da mein Lehrer Adolf Wamper wusste, dass ich sakral angehaucht bin, fiel mir die Arbeit zu. Ich hatte bereits einige Figuren in diese Richtung geschaffen, außerdem konnte ich gut Schriften anfertigen, das lag mir. Je kniffeliger es wird, um so ruhiger werde ich.“
Während der Text vorgegeben war, hatte der Student freie Hand bei der Gestaltung: „Oben Christus mit der Dornenkrone, darunter der jüngste Tag mit den sich öffnenden Gräbern.“ Unter den Inschriften mit den Zeiträumen „1914 – 1918“ und „1939 – 1945“ kam für jedes Kriegsjahr ein Kreuz. „In dem Gipsmodell hatte ich für den Zweiten Weltkrieg nur fünf vorgesehen, ich hatte mich glatt verzählt“, erinnert sich Adelmann, der heute in der Nähe von Stuttgart wohnt, sehr genau. Bei der dreiteiligen Platte, die jetzt im Vorraum hängt, ist ihm dieser Fehler nicht mehr unterlaufen.
„Man musste sehr vorsichtig sein, es ist kein hartes Material, auch wenn es nicht so aussieht. Ein paar Wochen habe ich daran gearbeitet. Die Tafel wurde von einer Firma in der Kirche aufgehangen, ich habe abschließend die Übergänge bearbeitet. Danach hatte ich das Werk ein paarmal meiner Familie gezeigt.“ Die wohnte nicht so weit weg, in Mülheim an der Ruhr, da wo Gerd Adelmann aufwuchs. „Ich konnte schon immer gut zeichnen, da hatte mir jemand gesagt, werde doch Bauzeichner.“ Die Enttäuschung folgte bald. „Ich wollte da gerne wieder raus: Bewährungspläne zeichnen – nein, das hatte nichts mit Kunst zu tun.“
Die Ausbildung wurde auf Wunsch des Vaters beendet, dem er danach sagte, er gehe nach Köln, wo er die Aufnahmeprüfung an der dortigen Werkschule bei Professor Giess bestanden hatte, der durch den Bundesadler im Bonner Plenarsaal bekannt wurde. Weil die täglich vierstündige Pendelei mit dem Zug zwischen der Ruhr und der Domstadt am Rhein zu belastend war, schloss Gerd Adelmann sein Studium an der Folkwangschule ab. Sein Vater konnte sich schließlich mit dem künstlerischen Werdegang des Sohnes anfreunden. Rückblickend sieht Gerd Adelmann seine Ausbildung bei einer Mülheimer Baufirma als hilfreich an: „Als Bauzeichner mussten wir viele Schriftzeichen schreiben.“