Neviges Wirte zur Sperrstunde: „Das ist bitter“

Neviges. · Die neuen Vorschriften treffen das Gastgewerbe enorm – die Dehoga sieht die Branche nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung.

Wirtin Nicole Hübing ärgert sich in der „Alten Gaststube“ über Privatpartys, die die Infektionszahlen nach oben getrieben haben.

Foto: Ulrich Bangert

Man mag es kaum glauben, aber in Neviges gibt es auch ein Nachtleben, das sich meistens in einigen wenigen Gaststätten abspielt, so wie in der „Alten Gaststube“, die vorher seit 1871 „Zum eisernen Kreuz“ hieß. „Im Januar habe ich das hier übernommen, da lief es super, dann kam der Lockdown und nun gibt es wieder heftige Beschränkungen in der Gastronomie“, klagt die Wirtin Nicole Hübing. Es drohen wieder erhebliche Einschränkungen. „Um 23 Uhr zuzumachen, das ist schon bitter, am Wochenende geht es deutlich länger.“

Die Gastronomin steht mit Mundschutz am Zapfhahn und fängt routiniert den Gerstensaft in einer Pilstulpe auf. „Ich halte die Hygienemaßnahmen ein, ich habe zu 80 Prozent Stammkundschaft, die das alles mitträgt. Das Problem sind die Idioten, die sich zu großen Partys treffen“, zeigt sich die Kneipenwirtin verärgert.
Freitags und samstags ist auch im „Graf Hardenberg“ bis weit nach Mitternacht noch etwas los. Der Umsatz wird Elias Georgio fehlen. Am Samstagabend schaut er auf relativ viele besetzte Tische. „Ich habe die Leute recht weit auseinander gesetzt, es läuft nicht schlecht“, sagt Elias Georgio, lässt aber durchblicken, dass es besser sein könnte: „Viele haben Angst zu kommen, große Gruppen haben abgesagt. Viele wissen nicht, ob sie Weihnachtsfeiern machen können.“

Nebenan im „Alten Bahnhof“ hat Nikolaos Sitmalidis nach dem Tod seines Vaters Tassos gerade erst wieder geöffnet und muss sich über die aktuellen Beschränkungen im Detail informieren. Auch er merkt, dass weniger Gäste kommen.

Er wird die Zecher vermissen, die mitunter weit in den neuen Tag hinein dem griechischen Wein beziehungsweise dem deutschen Bier zusprechen.

Nichts los ist im „Restaurant Polska“, das seit 17 Jahren von Joana Scheller an der Elberfelder Straße gegenüber dem Kloster betrieben wird. „Die Lage hat sich verschlechtert, zu uns kommen nur ganz wenige Gäste. Alles wurde abgesagt, es finden keine großen Wallfahrten oder Feste statt. Wir dürfen keine Veranstaltungen mit polnischen Sängern oder Kabarettisten machen, die Besucher aus Velbert und der Umgebung anziehen.“

Die Tatsache, dass sich höchstens fünf Personen im „Ristorante Paciello“ an einem Tisch versammeln dürfen, macht Vito Paciello wie anderen Speiselokalen zu schaffen. Auch im angeschlossenen „Hotel Kimmeskamp“ macht sich bemerkbar, dass kaum jemand unterwegs ist.

„Messen, Feste, Märkte – alles ist abgesagt. Beim Mittelaltermarkt zum Beispiel hätte der eine oder andere hier übernachtet, wenn er nicht im Lager oder im eigenen Camper schläft. Das Hotel ist komplett tot. Handlungsreisende sind ebenfalls kaum unterwegs, die haben das Internet für sich als günstige Alternative entdeckt. Die einzigen, die Zimmer nachfragen, sind Monteure, Handwerker und Kundendienstleister.“

Die Dehoga Nordrhein, der Wirtschaftsverband des Gastgewerbes, blickt mit großer Sorge auf die Beschlüsse der Landesregierung. „Die Unternehmen investieren erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen in Hygiene- und Sicherheitskonzepte. Die Gastronomie ist daher nicht das Problem, sie ist vielmehr Teil der Lösung. In den Restaurants, Kneipen und Gaststätten können die Menschen kontrolliert und unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln feiern, was in privaten Räumlichkeiten nicht gewährleistet ist“, so Geschäftsführer Christoph Becker. „Die Einführung einer Sperrstunde ab 23 Uhr ist für viele Betriebe existenzvernichtend und wird zur Eindämmung der Pandemie nicht beitragen.“

Mit großem Unverständnis nehmen die Gastronomen zur Kenntnis, dass ab einer Inzidenz von 50 nur noch fünf Personen am Tisch Platz nehmen dürfen. „Das kapiert kein Mensch: Fünf Menschen aus verschiedenen Haushalten können an einem Tisch sitzen, aber drei Ehepaare nicht. Da ist der Aufwand der Nachverfolgung doch viel größer“, argumentiert Walter Stemberg vom gleichnamigen Restaurant, der deshalb schon viele Stornierungen hinnehmen musste. „Das trifft alle Gastronomen extrem.“