Wülfrath: „Mundart heißt Heimat“

Beim mundartlichen Morgengespräch am Kamin wird in Erinnerungen geschwelgt. Auch Aktuelles schlägt sich nieder „in Platt“.

Wülfrath. Es ist eine Sprache, die von Herzen kommt: saftig, knackig und heimatverbunden. Noch vor einem halben Jahrhundert hörte man sie auf den Straßen Wülfraths. Inzwischen ist sie fast verstummt. Nur einige wenige beherrschen die Wülfrather Mundart und pflegen sie zusammen jeden dritten Advent seit inzwischen fast 40 Jahren.

Beim weihnachtlichen mundartlichen Morgengespräch des Heimatbundes im Heimatmuseum kamen 40 Wülfrather Jungs und Mädels am Sonntag zusammen, um Gedichten zu lauschen, eigene Poesie vorzutragen und vor allem - um sich zu erinnern.

"Et hilft kin Leugnen, et is klor, je äuter mer werd, je mehr denkt mer dran, wat fröher wor", liest Elisabeth Burberg ein selbstgeschriebenes Gedicht vor. 1922 in Wülfrath geboren, blickt sie auf eine lange Zeit zurück.

Sie erzählt vom Bäcker Vogel, von Konrads und den "Klömpkes", die sie als "Kenger" (Kinder) zu Weihnachten bekommen haben und zaubert das Leuchten der Erinnerung in die einen oder anderen Augen zurück. "Jaja, da kann ich mich gut dran entsinnen", stimmen viele zu.

Wülfrath-Geschichten werden in der großen Runde besonders gern zitiert. Hat sich vieles ja verändert und manches ist auch so geblieben: "De Herzog-Wilhelm Matt war juit, so rechtig schöen jemuetlich", trägt Ralf-Robert Atteln vor.

Gert Heidel an der Zither und Ulli Erbach an der Gitarre begleiten wie jedes Jahr - 2008 musste das Mundart-Gespräch ausfallen - mit ihrem musikalischen Können die Mundart-Tafel, ermuntern bei Weihnachtsliedern wie "Oh, du fröhliche" zum Mitsingen und verbreiten adventliche Wohligkeit.

Und schon schließt sich das nächste Gedicht an. Die mundartlichen Dichter können es kaum erwarten auch etwas beizutragen. Jeder hat etwas zu erzählen, bringt mit weihnachtlichen Geschichten zum Lachen und auch zum Nachdenken. Wie von selbst gehen die manchmal etwas fremd klingenden Worte über die Lippen, froh sich ihrer mal wieder bedienen zu können.

"Man kann nichts so gefühlvoll ausdrücken wie auf Mundart", so Ralf-Robert Atteln. "Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, auch die gesprochene Form zu erhalten. Mundart heißt Heimat. Viele kennen heutzutage den Wert der Heimat gar nicht mehr," sagt der Vorsitzende des Heimatbundes.

Fast alle, die Jahr für Jahr hier zusammenkommen, sind in Wülfrath aufgewachsen. Sehen es mit anderen Augen: "Ich weiß noch, als ich eine Stunde vor unserem Haus gesessen habe, weil ich unbedingt ein Auto sehen wollte. Nach einer Stunde bin ich traurig wieder hineingegangen, ohne dass auch nur eins vorbei gefahren ist", erinnert sich Elisabeth Burberg.

Doch wird an diesem Morgen nicht nur in die Vergangenheit geschaut. So zeigt Willi Münch, dass sich das Wülfrather Platt auch herrlich dafür eignet, das heutige Wülfrath zu beschreiben: "Wenn ech dran denk wörd et mech schleit, wat haät men sech dobei jedeit för Wolfrads Zukunftswerkstatt", sinniert er über die geplanten Veränderungen des Rathaus-Areals und Krapps Teich und muss unter lautem Gelächter feststellen: "Ech glöif sun Trappe die könn durch - die Enten wören nit dafur!"