Zug um Zug Erinnerungen
Fritz Sonnenschein (82) und Karl-Heinz Liebs (69) haben ihr ganzes Berufsleben bei der Bahn gearbeitet. Einst sorgten sie dafür, dass der Güterverkehr reibungslos lief.
Wülfrath. Es dauert nur einen Moment, dann sind Fritz Sonnenschein und Karl-Heinz Liebs in ihrem Element. Mit weit ausholenden Gesten zeigen sie über das Gelände. „Neun Gleise gab es hier einmal“, sagt Sonnenschein.
Liebs nickt: „Und drei Bahnhöfe hatte Wülfrath: Hofermühle, Flandersbach und hier in Mitte.“ Die beiden Wülfrather sind Eisenbahner mit Leib und Seele. Am Samstag zur Eröffnung des Panoramaradweges auf der Trasse der ehemaligen Niederbergbahn machen sie mit. Sie halten Vorträge im WüRG-Haus und bieten Führungen im Stellwerk im ehemaligen Bahnhof Mitte an.
Wenn Liebs und Sonnenschein erzählen, wird Eisenbahngeschichte lebendig. Sonnenschein war 46 Jahre lang bei der Bahn, Liebs 43 Jahre. Als Junghelfer war der heute 82 Jahre alte Sonnenschein gestartet. „Bei mir hieß das schon Jungwerker“, merkt Liebs an, der heute 69 Jahre alt ist. Von der Pike auf hätten sie ihren Beruf gelernt.
„Wir mussten und konnten alles machen — bis auf Loks führen“, sagt Liebs. Heute wäre diese Vielfalt nicht mehr denkbar. „Da werden für alle Aufgaben Spezialisten ausgebildet.“ Ticketverkauf, Fahrdienstleitung, Güter abfertigen, Rangieren — die Tätigkeiten seien früher vielfältig gewesen. „Und in Wülfrath war ja auch eine Menge los“, sagen sie.
In Sachen Güterverkehr war Wülfrath noch in den 1960er-Jahren ein florierender Standort. „Von einem auf den anderen Tag“, erinnert sich Liebs, kam er nach Flandersbach. Das war 1966, „genau am 15. Januar“.
Solche Versetzungen seien üblich gewesen. „Veränderungen gehörten bei der Bahn immer dazu.“ Wobei mit Veränderungen oftmals Streckenschließungen einhergingen. Und so ging man als Eisenbahnbeamter da hin, wo Arbeit noch gefragt war. „Aber Personenbahnverkehr gab es damals schon nicht mehr“, sagt Sonnenschein. Weder er noch Liebs können sich erinnern, wann dieser Betrieb eingestellt wurde.
Im Bahnhof Wülfrath, der in den 1980er-Jahren abgerissen wurde, war die Befehlsstelle untergebracht. Zu beiden Seiten des Bahnhofs waren Stellwerke in Betrieb: „WW in Richtung Flandersbach, WO in Richtung Hammerstein“, sagt Sonnenschein.
Um Zügen die Einfahrt in den Bahnhof zu gewähren „mussten wir aus dem Haus raus und nach Augenschein prüfen, ob die Gleise auch frei sind. So war das damals“, sagt er und schmunzelt. Kamerabeobachtung gab es nicht. Die Kalkwerke, die auch Bahnen über Nacht in Wülfrath abstellten, die Gießereien Feldhoff und Lindner, Molineus und ein Schrotthandel gehörten zu Nutzern des Bahnhofs.
Heute zeugen Gleise, ein Prellbock, ein Stellwerk und einige Signalanlagen von der Eisenbahngeschichte. „Es ist schon traurig, dass das so gekommen ist“, sagen die Eisenbahner. Gut sei aber, dass im Namen des Panoramaradweges an die Niederbergbahn gedacht wird. Liebs: „Ich bin auch schon mal den Radweg abgefahren.“
Beide leben in ehemaligen Häusern der Deutschen Bahn an der Eichendorffstraße. Die Bahn, sagen sie, lasse sie nicht mehr los. Sonnenschein: „Damit bin ich verwachsen.“ Liebs pflichtet dem bei und erzählt von einem Ausflug ins Angertal. „Da höre ich das Flöten der Bahn. Ich bleibe stehen und schau einfach zu, wie sie vorbeifährt.“ Eine Modelleisenbahn haben beide aber nicht. „Warum auch: Ich hatte die echte Bahn doch ein ganzes Leben lang,“ sagt Liebs.