Wie Drohnen helfen, Rehkitze vor dem Tod zu bewahren

Im Kreis Mettmann spüren Landwirte die Tiere im Feld mit einer fliegenden Infrarotkamera auf, damit sie nicht dem Mähdrescher zum Opfer fallen. Das Projekt hat Zukunft.

Foto: U. B.

Kreis Mettmann. Ein Juni-Tag mitten auf dem Feld eines Wülfrather Landwirts. Ein junger Mann blickt auf das Display seines Smartphones. Plötzlich taucht auf dem Bildschirm ein kleiner heller Fleck auf. „Das könnte eines sein“, sagt U. Büscher mit Kennerblick: „Ich halte dann mal an.“ Der hochgewachsene Mann bewegt die Hebel seiner Fernsteuerung und sofort bleibt der etwa 90 mal 90 Zentimeter große Minihubschrauber mit seinen vier Propellern laut surrend, gute acht Meter über dem Feld „stehen“.

Foto: U. B.

Derweil bahnt sich Bernd Kneer den Weg durch hohe Grashalme. Wohin genau, weiß er nicht. Aber Büscher lenkt ihn — mit konzentriertem Blick auf das Display und das mit einer Infrarotkamera bestückte Fluggerät. Auf einmal kommt Bewegung in den Fleck. Vor Kneer taucht eine Katze auf, läuft weg. Fehlalarm. Dieses Mal.

Foto: M. Werner-Staude

Seit letztem Jahr schickt U. Büscher ehrenamtlich und in seiner Freizeit seine fliegende Kamera auf Rettungsflug über Wülfrather oder Velberter Felder — immer wenn ihn Landwirte oder Jäger um Unterstützung bitten.

Bernd Kneer, Kreislandwirt

Während im vergangenen Jahr der Regen den Grünschnitt verzögerte und so viele Einsätze überflüssig machte, konnte U. Büscher heuer schon acht Kitze retten helfen. Aus Idealismus und auf Abruf. „Natürlich wissen wir, dass wir die Welt nicht retten können. Aber kein Landwirt erwischt gerne ein Kitz“, erklärt Kreislandwirt Bernd Kneer. Er hat mit dem Velberter Landwirt Michael Greshake im vorigen Jahr das Projekt im Kreis Mettmann ins Leben gerufen.

Bislang schickten Jäger ihre Hunde ins Feld oder rüsteten Bauern ihre Mähmaschinen mit einem Piepston aus, stets mit dem Ziel, das Jungtier zu erschrecken und so in die Flucht zu schlagen, damit es nicht verletzt wird. Das freilich ergreift mitnichten die Flucht, sondern duckt sich instinktiv weg, um so auf die Rückkehr der Mutter zu warten. Unsichtbar für Mensch, Tier und Maschine - und damit in der Falle. Unzählige Bambis werden jährlich von Mitte Mai bis Mitte/Ende Juni beim Heuschnitt (tödlich) verletzt. Die gefährliche Zeit endet meist im Juli, wenn der Nachwuchs groß genug ist, um aufzuspringen und wegzulaufen.

Effektive Abhilfe kann das mit einer Infrarotkamera ausgerüstete, etwa 2,5 Kilogramm schwere Kleinflugzeug schaffen, das vom mitgebrachten Stativ aus mitten im Feld startet und landet. Die fliegende und mit einer GPS-Antenne ausgerüstete Kamera fliegt dabei systematisch die zu mähende Fläche ab. Gesteuert wird sie durch eine Computerapp, die auf der Basis von digitalen Luftbildern arbeitet. Oder durch U. Büscher, der jederzeit mit seiner Fernsteuerung eingreifen kann — zum Beispiel, wenn sich ein „verdächtiger“ , weil warmer Punkt im Display abhebt.

Der Hobbypilot hat sich selbst beigebracht, die Bilder zu lesen und zu interpretieren: „Das ist ein bisschen wie bei Ultraschallbildern.“ Heute sind 2,5 Hektar dran, die in Nullkommanichts in 26 Wegpunkte und 13 Bahnen umgerechnet werden. Für den Spähflug braucht der Quadrokopter etwa fünf Minuten. Die ideale Tageszeit ist der Morgen, wenn sich die Umgebung noch nicht so aufgeheizt hat, so dass sich die warmen Körper der Rehkitze besser abheben. Je kühler die Außentemperatur, desto höher kann der Flieger steigen. Außerdem ist windstilles und trockenes Wetter von Vorteil. Nach dem Einsatz verschwindet das Equipment wieder in einem kleinen Köfferchen.

Die eigentliche Rettung der kleinen Rehe muss behutsam erfolgen. Mit viel Gras und behandschuhten Händen wird das Tier hoch gehoben und mit Abstand vom menschlichen Körper gehalten vom Feld getragen. "Nicht zu weit weg, damit seine Mutter es wieder findet“, erzählt Bernd Kneer. Möglich ist auch ein Korb, der über das Kitz gestülpt wird. Allerdings muss der Landwirt direkt im Anschluss mähen, damit das Tier rasch wieder befreit werden kann.

Eine Summe im vierstelligen Bereich hat der Hobby-Modellbauer bislang für seinen selbstgebastelten Helikopter ausgegeben — mehr will U. Büscher nicht verraten. Die Kosten und die entwicklungsfähige Kameratechnik standen bislang auch einer flächendeckenden Verwendung in Deutschland zum Schutze der Rehkitze im Weg. Aber die Drohnen werden einfacher und günstiger. Außerdem gibt es immer wieder Vorbehalte gegenüber Drohnen und rechtliche Einschränkungen für die Nutzung.

Auch in Wülfrath/Velbert müssen die Bauern irgendwann überlegen, was aus dem Projekt werden soll. Bernd Kneer: „Letztlich braucht man Leute, die mit Technik etwas anfangen können, jemanden, der anpackt.“ In den kommenden Wochen aber haben sie und U. Büscher erst mal alle Hände voll zu tun. Damit Bambi überleben kann.