Kempen „Bagger gucken“ am Viehmarkt

Immer wieder bleiben Passanten stehen, um die Arbeitsschritte auf der Baustelle aus nächster Nähe anzusehen - voller Staunen und mit Sachverstand. Die Crew hinter dem Bauzaun arbeitet wie ein Uhrwerk.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Titus steht wie angewurzelt auf dem Pflaster des Spülwalls. Er hat beide Hände an die Gitter des Bauzauns gelegt. Sie umfassen den dünnen Draht, als seien die Öffnungen nur für Kinderhände wie die des Zweieinhalbjährigen gemacht. Titus kann den Blick nicht von dem linken Bagger lassen. Der zieht am Viehmarkt gerade eines der Riesenrohre mit seinem ausschwenkbaren Arm an zwei schweren Eisenketten hoch. Dann rollt er langsam auf die Baugrube zu.

Foto: Kerstin Bollhöfer

Rechts kommt ein zweiter Bagger näher. Der Erdhügel vor ihm ist kein Hindernis. Bald hat er obenauf Stand. Am Steuerstick in der Fahrerkabine sitzt Vorarbeiter Uwe Fleig. Er fädelt in vier Metern Höhe seinen Lasthaken in eine nicht einmal 20 Zentimeter große Metall—Öse am anderen Baggerarm ein, als ginge es um Nadel und Faden beim Knopfannähen.

Foto: Kerstin Bollhöfer

Fleig stabilisiert mit der Verbindung den festen Stand des anderen Baggers, verhindert eine zu große Punktbelastung, während das 22 Tonnen schwere Rohr in den ausgehobenen Schacht versenkt wird. So entsteht Stück für Stück ein Regenspeicherbecken. Spektakulär! Titus ist fasziniert.

Foto: Kerstin Bollhöfer

Mehrere Radler halten an. Sie greifen wie Titus in den Bauzaun, suchen Halt und zücken die Smartphones. Das Zusammenspiel der Bagger, das Wechseln von Schaufeln in weniger als 30 Sekunden sieht man nicht alle Tage.

Foto: Kerstin Bollhöfer

Mütter mit Kinderwagen stehen zusammen, weil der Nachwuchs nicht weiter will. Ein Radfahrer, der nur flott den Bereich passieren will, reagiert mürrisch, weil niemand auf sein Klingelzeichen Platz macht.

Foto: Kerstin Bollhöfer/Stadt Kempen und Kurt Lübke

Titus Mutter Svenja Voetz kommt regelmäßig an der Innenstadtbaustelle vorbei, „Bagger gucken“, das ist zu Hause ein oft gehörtes Kommando ihres „kleinen Bauleiters ohne Helm“. Als es weitergehen soll, kann sich Titus kaum lösen. Da braucht es schon Überredungskunst.

Wenn der kleine Mann wüsste, dass wenig später Bauleiter Ulrich Warning vom Tiefbauamt der Stadt Kempen und sein Chef Torsten Schroeder für die Presse den Bauzaun öffnen und einen Blick in die Viehmarkt-Grube gewähren. Beide sind mit der Arbeit der ausführenden Firma Uhrig aus Geisingen hochzufrieden. „Die schaffen vier Rohre pro Tag“, sagt Schroeder.

Tempo und Genauigkeit sind das Plus der Firma, die sich die Methode dieser Rohrverlegung hat patentieren lassen. Ein sogenanntes Profilierschild, das die Form eines Rohrdurchmaßes hat, ermöglicht es, formgenau Boden auszuheben, dadurch Zeit zu sparen und weniger Aushub bewegen zu müssen.

„8000 Kubikmeter Erde“, sagt Vorarbeiter Fleig, werden er und seine Kollegen mit Baggerschaufeln ausheben, um insgesamt 94 Rohre in zwei Strängen über die ganze Länge des Viehmarkts anzulegen.

Vier liegen schon in der Erde. Sobald zwei versenkt sind, werden die Rohre seitlich mit riesigen Holzdeckeln verschlossen. Die Grube wird wieder mit durchmischtem, gelockertem und mit Kalk angereichertem Boden verfüllt und verdichtet. Danach wird der Verbau angehoben und die nächste Grube vorbereitet.

Und dann lädt das Tiefbauamt spontan zu einer Besichtigung vier Meter unter der Erdoberfläche ein. Zwölf rote Steigbügel geht es einen Schacht hinunter, bis man wieder Boden unter den Füßen hat. Dann steht man in dem mehr als drei Meter breiten Rohr im Halbdunkeln, nimmt vom Baustellenlärm oben fast nichts mehr wahr. Wenn Titus das hören und sehen könnte...