Bewegender Tag des Gedenkens

In St. Hubert wurden gestern Stolpersteine für zehn Opfer der Nationalsozialisten verlegt. Zuvor wurden die Angehörigen im Kempener Rokokosaal empfangen.

Foto: Friedhelm Reimann

Kempen/St. Hubert. Es war zwar der Erkrankung von Bürgermeister Volker Rübo geschuldet, dass Otto Birkmann gestern die Angehörigen der Holocaust-Opfer im Rokokosaal begrüßen durfte. Da es aber gestern um die Verlegung von zehn Stolpersteinen in St. Hubert ging, hätte es für diesen Termin keinen besseren geben können als den Vize-Bürgermeister. „Ich bin an der Königsstraße geboren und aufgewachsen. Und als Kind habe ich mit den Kindern von Max Mendel gespielt“, sagte Birkmann gestern Vormittag bei der Begrüßung der Gäste im Rokokosaal. Im Laufe des Nachmittags wurden dann zehn Steine an fünf Standorten in St. Hubert verlegt — einer davon für Max Mendel an der Königsstraße 12.

Sichtlich bewegt erinnerte Birkmann unter anderem an das Schicksal des Juden Max Mendel, der nicht erlebt hat, wie seine sechs Kinder aufwuchsen. Bei der Geburt seines sechsten Kindes war Mendel bereits inhaftiert. Letztlich wurde er im Konzentrationslager Auschwitz von den Nazis ermordet.

Otto Birkmann, stellvertretender Bürgermeister

Trotz der schrecklichen Schicksale der Opfer hatte die Rede Birkmanns auch unbeschwerte Momente. Er erinnerte sich an die Kindheitstage mit den Mendels — zum Beispiel mit Mendel-Tochter Ruth Baum, die ebenfalls gestern Gast im Rokokosaal war. „Wir hatten Spaß zusammen — der Glaube spielte keine Rolle. Unsere Lieblingsbeschäftigung war das Stauen des Kendelbachs“, so Birkmann.

Wie schon bei vorherigen Stolpersteinverlegungen entwickelte sich auch gestern wieder eine Art Familientreffen. Die Familien Lambertz und Mendel, an die gestern unter anderem gedacht wurde, sind miteinander verwandt. Angehörige trafen sich im Rokokosaal und erlebten den Tag in Kempen gemeinsam. Unter ihnen waren auch Rodney und Suzie Eisfelder, die aus der australischen Metropole Melbourne angereist waren. „Dass Sie diese weite Reise auf sich genommen haben, beeindruckt mich sehr. Danke, dass Sie gekommen sind“, sagte Otto Birkmann. Alleine für die Familien Mendel und Lambertz sind in Deutschland bislang 28 Stolpersteine verlegt worden, so Birkmann: „Diese auf die Familien bezogene Zahl macht die Dimension des Holocaust deutlich.“

Die historische Aufarbeitung der Schicksale in Kempen mache deutlich, wie nah Schuld und Unterstützung zur Zeit des Nationalsozialismus beieinander lagen, betonte der stellvertretende Bürgermeister. Auf der einen Seite gab es Nachbarn, die ihre jüdischen Mitbürger denunzierten. Auf der anderen Seite aber auch Menschen wie die der Familie Peters, die die Kinder Familie Mendel zeitweise auf ihrem Obsthof versteckt hatten. Oder den St. Huberter Bäckermeister Josef Pasch, der die Familie Lambertz mit Nahrung versorgte.

In die Aufarbeitung der Geschehnisse waren auch dieses Mal wieder Jugendliche der weiterführenden Schulen eingebunden. Sie waren gestern im Rokokosaal dabei und gestalteten später die jeweiligen Stolperstein-Verlegungen, in dem sie die Biografien der Opfer vortrugen. Musikalisch begleitet wurden die Verlegungen des Kölner Küntslers Gunter Demnig vom Chor „ViVoce“.

Otto Birkmann hob die Wichtigkeit der Beteiligung der Schüler hervor und wandte sich direkt an die Jugendlichen: „Haltet Ohren und Augen offen. Es gibt wieder viel zu viel braunes Gedankengut. Schreitet ein und klopft denen auf die Finger. Seid wachsamer als es unsere Eltern waren.“