Blick vom „Berg der Segelflieger“
Anna Hanßen war für ihre Ausbildung zur Pilotin fünf Tage lang im hessischen Gersfeld unterwegs.
Grefrath/Gersfeld. Lange hatte es nach einem sonnigen Tag ausgesehen, doch mit dem sich anbahnenden Gewitter musste plötzlich alles ganz schnell gehen. „Im Regen haben wir unsere Flieger wieder auseinandergebaut, Flächen, Rumpf und Ruder zu den Anhängern gebracht und zurück in die Halle gefahren“, erzählt Anna Hanßen. Schließlich befanden sich die 17-Jährige, die beim Luftsportverein Grenzland (LSV) zur Segelflugpilotin ausgebildet wird, und ihre Kollegen auf der Wasserkuppe im hessischen Gersfeld, unter Flugfreunden als „Berg der Segelflieger“ bekannt. Die Aussicht ist einzigartig, das Risiko bei Gewitter allerdings groß.
Knapp fünf Tage verbrachte die Schülerin gemeinsam mit zehn anderen LSV-Mitgliedern in einer Jugendherberge an der Wasserkuppe. Um 9 Uhr stand an jedem Morgen ein erstes Briefing auf dem Programm, in dem die Aufgaben für den Tag und die aktuelle Wetterlage besprochen wurden. „Unser Tagesablauf hing dann stark vom Wetter ab“, berichtet Anna. Den Einweisungsflug mit ihrem Lehrer absolvierte sie bei besten Temperaturen und war dank guter Auftriebswinde gleich über eine Stunde in der Luft. Start und Landung stellten eine neue Herausforderung dar. Die Wasserkuppe ist ein weitaus größerer Platz als der heimische Niershorst; außerdem verläuft die Startbahn auf dem Hügel abfallend.
An den Folgetagen ging es unter anderem zu einem nahegelegenen Kloster, zur Sommerrodelbahn und ins Segelflug-Museum am Platz. In der Dauerausstellung des Museums werden sämtliche Segelflugzeuge sowohl aus Kunststoff als auch aus Holz mit Informationen zu Einzelteilen und Bauanleitungen präsentiert. In den Gängen zum Archiv im Keller hängen Fotoaufnahmen von Flugplatz und Piloten. „Wir durften spontan mithelfen, das Archiv zu sortieren“, so Anna. „Hier wurden zum Beispiel alte Funkgeräte, Fliegerorden und Wettbewerbs-Dokumente gesammelt.“ Die Fundstücke machen die Geschichte des Segelflugs greifbar, die mit ersten erfolgreichen Starts in den 1920er Jahren durch Piloten mit Flugerfahrung aus dem Ersten Weltkrieg begann, wobei sichere Ausbildungsflugzeuge erst später entwickelt wurden.
Die Wasserkuppe ist ein Ort mit langer Geschichte: Schon 1911 wurden hier Flugapparate erprobt. Zu den bekanntesten Konstrukteuren zählen Alexander Lippisch und Gottlob Espenlaub. Sie prüften des Weiteren Starttechniken und Auftriebsnutzungen. Anna Hanßen wird neben den Eindrücken aus dem Archiv besonders die Aussicht auf die hügelige Landschaft in Erinnerung behalten. Die Übung auf dem Flugplatz war ihr sehr wichtig, denn ihre größte Prüfungsaufgabe steht kurz bevor: Noch in diesem Sommer möchte sie drei Flüge in ihrem Doppelsitzer unter der Aufsicht eines externen Prüfers absolvieren. Diese stellen zugleich den Abschluss ihrer Ausbildung dar.