Kempen Boxclub verzichtet auf Zivilklage

Aus Sicht des aktuellen Vorstands lohnt sich eine Klage gegen den verurteilten Ex-Vorsitzenden aus finanziellen Gründen nicht. Nach dem Urteil am Montag gibt es noch offene Fragen. Eine Analyse.

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Kempen. Nach der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Untreue in 84 Fällen muss der frühere Vorsitzende des Boxclubs (BC) Kempen wohl keine zivilrechtlichen Folgen befürchten. „Wir haben uns mit einem Anwalt beraten und sind zu dem Entschluss gekommen, dass sich ein zivilrechtliches Verfahren nicht lohnt“, sagt der aktuelle BC-Vorsitzende Rainer Schmitz auf Anfrage der WZ.

Der Anwalt des Vereins schätze die Kosten eines solchen Verfahrens auf 7000 bis 8000 Euro. Hinzu kämen die geringen Erfolgsaussichten. Der Prozess am Montag habe gezeigt, dass der frühere Vorsitzende über keine ausreichenden Finanzmittel für eine Entschädigung verfüge, so Rainer Schmitz. „Ein Verfahren hat also wenig Sinn“, ergänzt der Vorsitzende. „Wir können als Vorstand nicht verantworten, so viel Geld dafür auszugeben.“

Analyse

Das Krefelder Schöffengericht hatte den früheren Chef des Vereins zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt (die WZ berichtete). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 69-jährige Kempener zwischen 2009 und 2013 Geld des Vereins veruntreut hat, indem er regelmäßig private Rechnungen vom Konto des Boxclubs bezahlt hat.

So tauchte in den Kontoauszügen eine Überweisung von rund 2000 Euro an eine Druckerei auf. Ferner gab es Kosten von 1000 Euro für Pralinen. Beide Rechnungen hat der Kempener offenbar in seiner Eigenschaft als Herausgeber eines Print-Magazins beglichen, so die Ansicht des Gerichts. Außerdem gab es Überweisungen an die Krankenkasse des Angeklagten. In den im Prozess nachgewiesenen 84 Fällen von Untreue geht es um eine Gesamtsumme von rund 26 000 Euro.

Den Vorwurf, dass er in weiteren 59 Fällen Geld veruntreut hat, konnte der Kempener in der Verhandlung in Krefeld ausräumen. Er und sein Anwalt präsentierten zwei Aktenordner, in denen die Verwendung von Barauszahlungen vom Volksbank-Konto des Vereins nach Auffassung des Gerichts belegt wird. „Ich komme zum Ergebnis, dass es sich um eine geordnete Darstellung handelt“, sagte der Richter nach dem Aktenstudium. Zu finden waren in den Ordnern unter anderem Quittungen, die von bar bezahlten Boxtrainern unterschrieben worden waren.

Mit den Belegen für die Verwendung der Barabhebungen im Wert von rund 35 000 Euro kam der Kempener nach Angaben des Richters um einen längeren Gefängnisaufenthalt herum. „Bei einer Summe von mehr als 50 000 Euro wäre die Bewährungsfähigkeit zweifelhaft gewesen“, sagte der Richter nach dem Urteil.

Unklar ist weiterhin, warum der Angeklagte die Ordner nicht sofort nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand im September 2013 an seinen Nachfolger übergeben hat. Mehrere Zeugen gaben im Prozess an, dass der 69-Jährige den neuen Verantwortlichen keine Unterlagen übergeben hat.

Der Angeklagte gab vor Gericht an, dass er die Unterlagen aus „Gründen der Sicherheit“ behalten habe. Unter anderem sei an einem Schloss im Büro des Boxclubs an der Otto-Schott-Straße manipuliert worden. Außerdem habe er sich selbst dort nicht mehr sicher gefühlt. Die Gruppe von Mitgliedern, die die Ungereimtheiten im Boxclub ans Licht gebracht hat, habe den Vorsitzenden 2013 absetzen wollen. „Das war von vorneherein das einzige Ziel“, so die Theorie des Kempeners im Prozess. Die Mitglieder hätten das Thema in die Öffentlichkeit gezerrt, „und die WZ hat sich auch noch zum Handlanger gemacht“, sagte der Angeklagte zur Berichterstattung der Westdeutschen Zeitung.

Den Inhalt der Ordner möchte sich der amtierende Vorstand um Rainer Schmitz nun genau ansehen. „Wir werden die Ordner anfordern, um die letzten Jahre aufzuarbeiten“, so Schmitz. Schließlich gehörten die Unterlagen über die Finanzen des Boxclubs auch in die Schränke des Vereins.

Der Richter hatte die Akten am Montag am Ende der Verhandlung wieder dem Angeklagten ausgehändigt. Mit dem Hinweis darauf, dass die Ordner an den aktuellen Vorstand gegeben werden müssten, sollte dieser sie anfordern. Nach Angaben von Gerichtssprecher Christian Tenhofen ist das aus Sicht der Kammer auch völlig richtig: „Das Verfahren mit Blick auf die Barauszahlungen wurde eingestellt. Insofern haben die Ordner keine Relevanz für die Straftaten, für die der Angeklagte verurteilt worden ist.“

Deshalb seien sie auch keine Beweismittel in einem möglichen Revisionsverfahren. In einem solchen ginge es lediglich um die Untreue in 84 Fällen und das entsprechende Urteil von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung. Ob Staatsanwaltschaft und/oder Verteidigung Rechtsmittel einlegen, ist noch offen. „Bislang sind keine Einträge eingegangen“, sagte Gerichtssprecher Tenhofen am gestrigen Freitag. Die Frist laufe am Montagabend ab. Bei Anträgen seitens der Verteidigung sei es nicht unüblich, dass die entsprechenden Anträge erst kurz vor Ende der Frist eintreffen, so der Sprecher.

Sollte es beim Verzicht auf ein Zivilverfahren bleiben, hat der Boxclub derzeit nur die Aussicht auf eine kleine Entschädigung. Der frühere Vorsitzende erhielt als Bewährungsauflage, dass er monatlich 100 Euro an den Verein zahlt. Und zwar über den Zeitraum von drei Jahren — so lange gilt die Bewährung. Am Ende könnten es dann 3600 Euro sein, die dem nachgewiesenen Schaden von rund 26 000 Euro gegenüberstehen.

Nichtsdestotrotz befindet sich der Boxclub nach Angaben des Vorstands in einer stabilen Situation. „Wir haben in den vergangen Jahren viel aufgearbeitet und einiges an Schulden abgestottert“, sagt Rainer Schmitz. Nach seinen Angaben sind in der Amtszeit des nun verurteilten Vorsitzenden rund 7000 Euro an Mietschulden und etwa 2000 Euro an nicht bezahlter Stromrechnungen aufgelaufen. Mit Unterstützung des Vermieters und der Stadtwerke Kempen habe man dieses Problem mit Ratenzahlungen lösen können. Schmitz: „Jetzt stehen wir gesund da. Und auch sportlich läuft es mit rund 180 Mitgliedern gut.“