Debatte um Grobben-Straße

Wilhelm Grobben war ein bekannter Mundartdichter. Er war aber auch Ortsgruppenleiter der NSDAP.

Kempen. Die Berichterstattung der WZ über das neue Buch des Historikers Hans Kaiser hat im Internet eine Debatte über Wilhelm Grobben ausgelöst. Der 1944 gestorbene Kempener gilt als bekannter und verehrter Heimatdichter; er war allerdings auch vom 1. Februar 1937 bis zum 12. Oktober 1938 NS-Ortsgruppenleiter in Kempen.

Foto: Kurt Lübke/Archiv des Kreises Viersen

Seit 1964 gibt es in der Thomasstadt eine Straße, die nach Wilhelm Grobben benannt ist. Wegen seiner Verdienste um die niederrheinische Mundart hatte dies der Kempener Stadtrat damals veranlasst. Die Straße in der Nähe von Hospital und Berliner Allee heißt heute immer noch so. „Wann wird diese Straße endlich umbenannt?“, fragt Wilhelm Stratmann in einem Kommentar auf der Internetseite der WZ. „Gerade die sehr emotional aufwühlenden Forschungen Hans Kaisers dürften doch auch dem Letzten klarmachen, dass auch vermeintliche Mitläufer wie Grobben ihren Anteil am Holocaust gehabt haben.“

Der Kempener Stratmann, der Leiter des Historischen Museums in Bielefeld ist, schreibt weiter: „Warum aus der Grobben-Straße nicht eine Ilse-Bruch-Straße machen? Das wäre ein echtes Zeichen!“ Zu diesen beiden Namen äußert sich Hans Kaiser im zweiten Band seines Werks „Kempen unterm Hakenkreuz“ (die WZ berichtete). Kaiser kritisiert, dass es bis 2012 gedauert hat, eine Straße nach einem jüdischen Opfer wie Selma Bruch zu benennen — im Baugebiet An der Kreuzkapelle. Die Kempenerin wurde gemeinsam mit ihrer Tochter Ilse von den Nazis ermordet. „Aber nach dem NS-Ortsgruppenleiter und Heimatdichter Wilhelm Grobben heißt eine Straße schon seit 1964“, schreibt Kaiser.

Der Historiker möchte aber keinesfalls, dass die Wilhelm-Grobben-Straße umbenannt wird. „Da möchte ich nicht falsch verstanden werden“, sagte Kaiser im Gespräch mit der WZ. „Grobben hat große Verdienste als Heimatdichter. Meine Äußerung zielt einzig und allein auf die Frage ab, warum es so lange gedauert hat, bis in Kempen eine Straße nach einem Opfer des Holocaust benannt wurde.“

In seinem ersten Band hat Kaiser 2013 ausführlich die Person Wilhelm Grobben beleuchtet. Er wurde am 1. Oktober 1895 in Kempen geboren — als Sohn eines Polstermeisters an der Peterstraße 14. Dort hängt seit 1975 eine Gedenktafel für Grobben, die der Verein Linker Niederrhein (VLN) angebracht hat.

Nach Angaben von Hans Kaiser nahm Grobben als „Kriegsfreiwilliger mit Hingabe am Ersten Weltkrieg teil“. Die Niederlage Deutschlands, das Erlebnis der schlimmen Kämpfe in den Schützengräben und eine Beinamputation sollen Grobben tief geprägt und „verbittert“ haben.

1925 wurde Grobben Leiter der Kempener Hilfsschule. Laut Kaiser gehörte er der katholischen Zentrumspartei an; am 1. März 1932 sei er dem rechtsradikalen Stahlhelm beigetreten. „Wie viele Stahlhelm-Mitglieder fängt er an, Adolf Hitler als Leitfigur zu begreifen. Dieser Führer muss ihm als Sprachrohr der um den Sieg betrogenen Generation des Ersten Weltkriegs erschienen sein“, schreibt Hans Kaiser.

Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wurde Wilhelm Grobben Mitglied der NSDAP. Im kulturellen Bereich füllte er diverse Posten aus. Laut Hans Kaiser ist Grobben als „Patriot zum Nationalsozialismus gekommen“. Er bezeichnet den Mundartdichter als „in führender Position recht moderat“. Kaiser: „Wir müssen Grobben abnehmen, dass er — aus seiner Sicht — für sein Volk nur das Beste gewollt hat.“

Allerdings soll Grobben auch „überzeugter Verfechter der nationalsozialistischen Rassenlehre“ gewesen sein. So habe er sich in Lichtbildvorträgen dafür stark gemacht, „Erbkranke — also Schwachsinnige, Epileptiker, Mongoloide, psychisch Kranke, Spastiker und erbliche Krüppel — sterilisieren zu lassen“.

Neben Wilhem Stratmann haben sich im Internet weitere Leser zum Thema gemeldet. Harald Bittner äußert sich zu Grobbens Tätigkeit als NS-Ortsgruppenleiter: „War er deshalb ein schlechter Mensch, den man anfeinden muss? Unabhängig von diesen seinen Aktivitäten stehen seine Verdienste um die Mundart-Arbeit außer Frage.“

Peter Amelang meldet sich zu Stratmanns Vorschlag zu Wort — er hält nichts von einer Ilse-Bruch-Straße: „Rund 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Herrschaft sollten wir auch endlich bereit sein, mit diesem Thema abzuschließen.“

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